Rezension

Isländische Schauerstimmung im Schneegestöber

Schnee -

Schnee
von Yrsa Sigurdardottir

Bewertet mit 4 Sternen

Warum ist eine Gruppe von Freunden mitten im Winter ins isländischen Hochland gewandert?

Mit „Schnee“ hat mir Yrsa Sigurdardóttir erneut bewiesen, dass sie die nordische Königin des Schauer-Thrillers ist!

Vorneweg, Yrsa Sigurdardóttir ist für ihre isländischen Krimi-Reihen bekannt, welche mir ebenfalls ausgezeichnet gefallen. Die bisher erschienen Thriller der Autorin, erkennbar als Einzelband, bedienen eine andere Schiene des Grauens, was vermutlich nicht jedem liegt.

In „Schnee“ führt uns die Autorin in die isländische Hochlandschaft während des tiefsten Winters. Island ist für atemberaubende Landschaften bekannt, die auch innerhalb der kalten Jahreszeit für Eindruck sorgen.

Allerdings ist es wenig empfehlenswert, ausgerechnet im Winter, die isländische Natur zu genießen, was man als Einheimischer durchaus weiß. Umso erstaunter sind die Ortsansässigen, als eine Gruppe von Wanderern ausgerechnet um diese Jahreszeit abgängig ist. Es wird ein Suchtrupp gebildet, der Schauriges aus dem Schnee zieht.

„Schnee“ geht von vornherein in Richtung Schauerlektüre, was nicht nur an der Eiseskälte und am Setting liegt. Sigurdardóttir beschreibt anhand eines eigenen Erzählstrangs, wie es die Wanderer in diese karge Gegend verschlägt, was sie suchen und warum sie nicht fündig werden.

Gleichzeitig zieht es den Leser auf die abgelegene Radarstation in Stokksnes, wo es zu haarsträubenden Vorfällen kommt, die ebenfalls für Gänsehaut sorgen.

Und dem Suchtrupp für die Vermissten schließen wir uns mit Jòhanna an, die gleichfalls von einer schaurigen Atmosphäre umgeben ist.

Die verschiedenen Erzählstränge beginnen unzusammenhängend und sehr rätselhaft. In der Gegenwart wird gemutmaßt, warum die Freunde auf Wanderschaft waren, in der Vergangenheit ist der Leser oder die Leserin mitten im Geschehen dabei, und erfährt, was das Grauen im Schnee verursacht hat. Dazwischen ist man immer wieder zu Gast auf der Radarstation, wo einnehmende Stille die gespenstische Stimmung unterstreicht.

Kurz flaut die Erzählung etwas ab, um dann anregend gruselig zu werden. Der gesamte Thriller lebt von schaurigen Momenten und der angespannten Atmosphäre. Was, wenn hier das Übernatürliche in die Realität eingreift?

Meiner Meinung nach ist Yrsa Sigurdardóttir die Meisterin der Schaueratmosphäre und schafft es auf unnachahmliche Weise, einen gruseligen Roman auf die Beine zu stellen. Sie spielt mit der Wahrnehmung ihrer Figuren, alten Geschichten und verstörenden Begebenheiten, die sich niemand so recht erklären kann.

Obwohl die Handlung ruhig und behäbig vonstatten geht, sind es diese unheimlichen Kniffe, die dem Leser oder der Leserin trotz eisigen Temperaturen einheizt.

Außerdem mag ich, wie die einzelnen Stränge und Perspektiven ineinandergreifen, obwohl es anfangs kaum vorstellbar ist, dass es einen Zusammenhang gibt.

Das Ende empfand ich als bizarr, obwohl es definitiv höchst überraschend ist. Hier hat die Autorin eine Wende herbeigeführt, mit der wohl niemand rechnet und welche nicht völlig nachvollziehbar ist.

Isländische Schauerstimmung im Schneegestöber, gruselige Momente und angespannte Atmosphäre ergeben zu guter Letzt einen fesselnden Island-Thriller, den ich sehr gerne gelesen habe.