Rezension

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FLUG INS UNGEWISSE – Entscheidung fürs Leben

Der Tausch - Zwei Frauen. Zwei Tickets. Und nur ein Ausweg. - Julie Clark

Der Tausch - Zwei Frauen. Zwei Tickets. Und nur ein Ausweg.
von Julie Clark

Bewertet mit 3.5 Sternen

++++ kompakte Spannungsgeschichte um zwei Frauen in Zwangslage, und ihre lebensverändernden Entscheidungen. Dramatisch. ++++ So geht Frauen-Solidarität! Gute Männer - wo bleibt ihr?

Wie verzweifelt müssen zwei sich einander völlig fremde Frauen sein, die unmittelbar vor dem Abflug ihre Bordkarten samt anderem Zielort miteinander tauschen, um ihrem so falschverlaufenden Dasein in Bedrängnis, voller Drohung und ständiger Beobachtung endlich zu entfliehen und ihm damit eine neue Ausrichtung geben zu können?                                                                                                                                                                                                                                Doch was birgt dieser Wendepunkt wirklich mit sich, denn nicht nur Möglichkeiten, zeitgleich ungeahnte Gefahren könnten diese Chance aus Gefangenschaft in eine neue Falle wandeln…

CLAIRE Cook und EVA James. Beide Frauen sind studiert, begabt, wie konnte es sein, dass sie in solch eine Fremdbestimmung über ihr eigenes Leben hineingedrängt wurden. Beide haben eine üble Entscheidung getroffen, zu deren Opfern sie schließlich wurden. Schon lange hegte sich der Wunsch, daraus auszubrechen… nun haben sie endlich das Schicksal wieder in ihrer eigenen Hand - ob es ihnen final gelingt, sich ihr wahres ICH zurückzuerobern?

+++ +++

Das Genre Thriller hat sich mittlerweile zu einem weiten Feld entwickelt. M.E. handelt es sich bei Julie Clarks DER TAUSCH keineswegs um den typischen Thriller im eigentlichen Sinne, sondern tendiert etwa Richtung „Spannungsgeschichte“(?). Vielleicht wäre es sogar mal an der Zeit, für diese Art von Büchern, einen ganz neuen, adäquaten Genrebegriff zu kreieren.

Das Fesselnde dieses Krimiromans ist von der Qualität, dass er in einem Flug durchgelesen werden will - wie geht es nur weiter, weiter, weiter, was steckt dahinter, wie sind die Zusammenhänge; man fiebert mit, ob und wie -und wünscht dass- es beide Frauen schaffen könnten. Wie genial wäre es nur gewesen, daraus tatsächlich und erst recht einen richtigen Thriller zu erschaffen – denn aufgrund des nun mal auf dem Buch aufgeprägten „Thriller“-‚Stempels‘ im Hinterkopf können ja geradezu beim Lesen eine Vielzahl an Verschwörungs-Szenarien nur so aufploppen (Bekam Rory doch Wind von den Plänen? War der Absturz somit provoziert? Ist die Mafia involviert? Würde Castro inoffiziell interagieren? denn war da nicht eine dritte Person in der Warteschlange?… ).

 

Unbemerkt und ohne Spuren zu hinterlassen untertauchen, einfach so Identitäten tauschen – wäre das überhaupt möglich? Wie sich abnabeln aus Überwachung und von gewalttätigen Partnern in ihren enormen Machtpositionen? Wem alles könnte es auffallen? Was wäre dafür zu planen, zu bedenken? Eine Bleibe, Geld, Papiere sind nötig… alles, selbst das eigene Verhalten, muss verändert werden, …                                                                                                                              Ist Evas Geschichte überhaupt zu trauen?                                                                                                                                                                                          Dann der Konflikt: ist es doch Identitätsraub, Betrug und Hochstaplerei, die Existenz einer Fremden – dennoch wurde ja frau zuvor schon genau zu einer solchen durch  e i n e  falsche Abbiegung ihrer Lebenswege verdammt. Wäre nun die Option gegäben, das Leben wieder in eine richtige Bahn umlenken zu können?

Man ist voll dabei und somit auch in einem Sog des zügigen Seitenumblätterns, denn man überlegt sich während des Lesens auch, was würde man womöglich selbst tun, wie ist zu reagieren, auf was alles zu achten. Dankenswerterweise verzichtet die Autorin aufs Verteilen von Kleinstigkeiten oder Puzzelsplittern, die dem Leser zur Lösungsführung entgehen könnten; trotzdem sollte auch skeptisch geblieben werden, wenn Möglichkeiten überlegend von der Protagonistin Claire in den Raum gestellt werden. Es ist jedenfalls wunderbar zu erleben, dass allmählich alles ineinandergreift, und wie jede Frage glaubwürdige Beantwortung findet, ohne dass etwas ‚entworren‘ werden müsste.

Leser die nach blutrünstigen Ausschweifungen oder einem Action-Bombast gieren werden hier keineswegs gesättigt, sondern nachdem sich anfänglich fast ein Ereignis ums nächste regelrecht überschlägt, sind es leisere Töne, die überzeugen. Beiseite könnten eher Miträtsler auf ihre Kosten kommen und werden mit schlüssigen Auflösungen belohnt, wobei teils Erahntes bestätigt werden kann, aber auch möglicherweise unerwartete (kleine) Wendungen überraschen. Allerdings verwebt sich hier kein gigantisches Gefüge, es ist allem leicht zu folgen und letzte Aufschlüsselungen sind teils eher von (sogar ein wenig enttäuschend zu) einfacher Natur.

 

Noch viel interessanter hätte es nämlich werden können und damit zu einem wirklichen, dichten Thrillerkomplex, wenn über den zwielichtigen Dealer-Aufseher Dex, und, über Rorys rechte Hand und den in alle Geheimnisse eingeweihten Bruce Cocoran mehr gekommen und selbst auf Nicos unter-weltliche Geschäfte eingegangen worden wäre ((da hätten sich ja Verknüpfungen zu Fish oder selbst Rory?, auftun können – doch njet)). Sehr ernüchternd, und enttäuschend, dass sich nicht mal der undurchsichtige FBI-Bundesagent & DEA-Ermittler Castro hatte profilieren können! Ihm geht es einzig und stoisch um den Job. Selbst über Rorys PA Danielle hätte ich gerne mehr erfahren.                                            

 

Aber, vllt. bedarf es auch gar nicht dieser ausgefeilten Twists und einer Raffiniertheit (oder, dies könnte mal eine TV-Serie so elaborieren, oh ja, bitte, v.a. mit einem Cliffhanger am Ende für eine zweite Staffel!) – für die Autorin jedenfalls zählen diese besonderen 2 Frauen (und ihr Umkreis) und diese stehen nun mal im Zentrum. Julie Clark entblättert das System, das Frauen erklärt, unzuverlässig und überflüssig zu sein, dass die Wahrheit der Frau zu der eines Mannes nicht zählt!

 

Die Kapitel sind unnummeriert, aber datiert, sowie verortet und den jeweiligen Frauen zugeteilt.

Aus ihren Perspektiven werden abwechselnd berichtet, und das sehr außergewöhnlich und richtig gut strukturiert: in zwei Zeitlinien, die im Prolog mit Eva (ausnahmsweise in der Gegenwart) beginnen. In Ich-Form dann Claire, was ihr Weglaufen ergründet, fließend in die Gegenwart (und kleinen Rückblenden), mittlerweile in Evas Welt angekommen; Claire versucht, sich dort unauffällig einzufügen und aus Evas Background schlau zu werden.                                           Eva (vorwiegend) in der dritten Person und aus der 6 Monate zurückliegenden Vergangenheit, die zu Claires aktuellen Zeit immer weiter aufrückt und letztens aufschließt, mit dem Ziel, Evas Motivation darzulegen, die sie zur Kontaktaufnahme mit Claire am Flughafen bewogen hatte.                                                       Recht bald kann schon klar werden, und das ist großartig, dass sich beide (obwohl sie sich ja nicht persönlich kannten) nur kollegial helfen - und nicht etwa beabsichtigen, sich gegenseitig ans Messer zu liefern, wenn auch weiterhin Evas Wissen über Claire und ihre dubiose Wohnsituation stirnrunzelnde Rätsel aufgeben.

Die Schauplätze wechseln zwischen Claires neuem Standort Oakland (Kalifornien), bzw. Evas vormaligen Zuhause (Berkeley), mit kurzen Abstechern nach NY und dem JFK-Airport.

 

Allerdings mochte ich fast zu oft die Eva-Kapitel schneller durchlesen, obwohl sie verblüffend tiefschürend wurden, um wieder zu Claire zu gelangen; wiederum mußte sich Claire aber ausgerechnet dann da auch stets mit Eva beschäftigen, vor welcher Nemesis sie (Eva) auf der Flucht sein könnte, womit mir hier viel zu viel Raum für den eigentlich ersehnten Ausbau zu Claire abhanden kam: Die gleiche, löbliche Aufmerksamkeit, die die Autorin Julie Clark Eva hatte zukommen lassen, einfach auch für Claire und forcierter – das wäre perfekt gewesen!

 

Die 32jährige Eva ist anfangs jemand, von dem man nicht so recht weiß, wie er eingeschätzt werden soll, ja, den man gleich ablehnen möchte. Rausch- & Aufputschdrogen stellt sie her und dealt an Studenten, unter den unerbittlichen Argusaugen des gesetzlosen Dex. Aber schnell ist festzustellen, dass nicht vorab abbewertet u. verurteilt werden sollte, denn sie hatte vormals eine üble Entscheidung getroffen; man lernt verstehen, nicht zu entschuldigen, wie Eva da mehr od. weniger, auch selbstverschuldend, hineingeschlittert war und sich ursprünglich eine ganz andere Biographie, hinsichtl. Uni-Karriere, erträumt hatte. Und nicht, sich verstecken und ständig auf der Hut und in Furcht sein zu müssen.                                                                                                                                                             Auch wenn Eva in der 3.Person spricht, entblättert sich ihr Seelenleben ebenbürtig zu Claire, sogar noch viel intensiver und tiefgründiger.                                   Denn viel umfangreichere Eindringlichkeit gerade zu Claire und ihrer Geschichte, bzw. Gefühlslage und dem gr. Komplex zur häuslichen Gewalt, zur Psyche und Un-Charakter ihres Ehemannes, (etwa auch: wie ist er zum selbstherrlichen Schläger geworden, seine Einstellung dazu, die Integration des Umfelds) hatte ich mir, allein schon wegen der Buch-Widmung, erhofft. Dies wurde einfach viel zu strikt abgehandelt, was unglaublich an Potenzial für die Geschichte regelrecht verspielt, hätten sich doch daraus umfängliche Twists ergeben können (nur z.B.: hatte Rory womöglich die Hände beim Absturz im Spiel, ein trauernder Witwer mit sogar aussichtsreicherem Wahlausgang…).

 

Der einflussreiche Rory Cook steht kurz vor seiner Kandidatur für den Senat.

Claires 13 Jahre älterer Gemahl ist wie der angesehen und bewunderte Mann aus unserer Realität, überall anzutreffen (als vorbildlicher, strebsamer Machtmensch), selbst in der eigenen unmittelbaren Umgebung (umtriebiger Chef, wohltätiger Mäzen guter Dinge) und ganz nah im eigenen Familienkreis (Ehegatte, Sohn, Vater…). Und doch bleibt er – bis auf sein Prügelopfer- in seinem wirklichen und unberechenbaren Wesen für die Außenwelt unsichtbar, in Verstellung, denn wutquellender Brutalo ist er nur hinter verschlossenen Türen.                                                                                                                                                               Die Beweisspuren auf der Haut lassen sich schamvoll verbergen.                                                                                                                                                         Die Bitte um Trennung durch heftige Einschüchterungen unterbinden.

Jedes Wort, jede Bewegung muss akkurat sitzen, die kleinste Unachtsamkeit, auch in ihrer eigenen konzentrierten Beobachtung, kann Claire schmerzhafte und unwiderrufliche Konsequenzen einbringen.

Die 37jährige steht unter ständiger Observierung, nicht zuletzt durch das Dienstpersonal; niemand kommt ihr zu Hilfe. Und diese braucht sie, allein ist es ein zu verhängnisvoller, sich hochschraubender Teufelskreis. Und trotzdem gelingt ihr, zusammen mit ihrer einzigen treuen Freundin Petra, in einem heimlich und akribisch ausgefeilten Plan, eine Änderung ihrer Zukunft anzusteuern – der in letzter Minute zerschellt und Rorys endgültigen Zorn herraufzubeschwören dräut. Genau jetzt bietet sich mit Eva und dem Tausch am Gate ein letztverbleibender Ausweg?!

10 Jahren der Unterdrückung und Entwürdigung

Wenn man seine Identität dadurch verliert, weil man durch Fehlentscheidungen in ein Netz gerät, aus dem man nicht mehr rauskommt. Ein Knoten, der erste, zieht weitere hinter sich her, aus deren Geflecht man sich nur mehr schwerlich, wenn überhaupt, befreien kann. Zunehmend unterliegt man einer Fremdbestimmung, Abstumpfung oder Einmauerung von Gefühlen, gefangen in gefährlichen Krakenarmen aus Gewalt, Angst, systematisierter Isolierung, aus dem es ohne fremde Hilfe, Hilfe von außen, einfach kein Entrinnen mehr zu geben scheint. Und dies trifft auf beide doch so unterschiedliche Frauen zu, Parallelen schließen sich auf. Besonders im schwebenden Punkt: werden sie in ihrer letzten Entscheidung den Mut ergreifen, das wirklich Richtige zu tun?!

 

Beeindruckt haben mich v.a. auch Frauen, die als Randfiguren auftraten: Claires Freundin Petra Federotov (mit Bruder Nico), die alles was sie tun kann für Claire tat und ihr eine aufrichtige Unterstützung war; die Barista Kelly, die in Claire eine verwandte Seele erkannte und selbstlos ihr einen Job vermittelt; und im Besonderen Evas viele Begegnungen mit der Gastprofessorin Liz - welch bemerkenswerter Charakter und Vorbild: sie hatte mich bewegt in ihrem unermüdlichen Bestreben, zu Eva durchzudringen, mit ihrer unerschütterlichen liebenden Freundschaft, die nichts verlangt und sich verschenkt, weil sie in Eva den guten Menschen erkannte, der nur den Glauben an ihn brauchte.

 

„Fast alle zwei Minuten wird in Deutschland ein Mensch Opfer von Häuslicher Gewalt. Jede Stunde werden mehr als 14 Frauen Opfer von Partnerschaftsgewalt. Beinahe jeden Tag versucht ein Partner oder Expartner eine Frau zu töten“ (Lisa Paus, Juli 2023)

Die Erzählung zur häuslichen Gewalt, dem ganzen Apparat dazu, ist zwar in all seinen Facetten auf den Punkt gebracht (die sexuelle Komponente wurde ausgeklammert) und wirklich GENAU so, in purem Realismus - kann für ehemalige Betroffene zu triggernden Flashbacks werden. Wie es tatsächlich ist, wenn der Ehemann prügelt. Dieser weitumgreifende Komplex der Vernichtung und der Verlust der eigenen Identität. Diese beständige Bedrohung, die einen auf Schritt und Tritt verfolgt, der Schlag der jederzeit und so plötzlich schnell erfolgen kann, jedes Wort, jede Geste muss auf der Goldwaage bemilligrammt werden, ob nun von einem selbst oder dem Gegenüber. die unzähligen Versuche dagegen anzugehen, die Jahre, die versteichen, unwiderruflich verloren…

Jedoch, mir noch viel zu kompakt und verhalten, statt in belichteter oder brachialer Ausführlichkeit, geschildert. Es wirkte mir zu sehr aus einer gewissen Distanz dargelegt (fast zu sachlich) - der beständige Horror, der Protagonistin Scham, die pure Verzweiflung, die Schmerzen, das Trampeln auf und Zertreten der Seele, Stück für Stück, dieses Beben in einem, das war nicht spürbar transportiert. Denn, das was mir unbändig am Herzen liegt ist, es sollte dringendenstes Gebot sein, Leser regelrecht aufzurütteln, WAS häusliche Gewalt wirklich bedeutet!, dass es verstanden wird - dahin kommt das Buch einfach nicht richtig. Es ist so wichtig, Leuten, die noch nie mit solchen Typen von Männern wie einem machtbesessenen und gewalttätigen Rory Cook zu tun hatten, unwissenden Lesern, jmd., der sich noch nie mit diesem so wichtigen Grundthema unserer Gesellschaft beschäftigt hat, damit in Berührung kam, oder sich einredet, damit nichts zu tun haben zu wollen,

zu vermitteln, intensiv ausleuchten, wie hier Machtstrukturen von statten gehen - es glich teils einer im Vorbeiziehen Erwähnung. Streifen, Vorbeischlendern.

Und das ist schade. Es ist ein so immens wichtiges Thema, Schwerpunkt in unserer Gesellschaft, verschwiegen, immer noch tabuisiert. Einfach das hier couragierter, trotz oder eher vor allem wegen dem Genre ThrillerKrimi, noch lauter auszubauen.

Ein Anfang. Mehr von solchen Büchern mit diesem Grundthema der häuslichen Gewalt, die isoliert, ständig bedroht, prügelt und die eigene Identität zerfrisst, zu vernichten trachtet, aber bitte noch aufrüttelnderer, mit eindringlicherer Schärfe, dass es auch beim letzten ankommt und wie ein erschreckendes Erwachen für diejenigen wirkt, die sich bisher damit nie auseinandersetzen wollten, um endlich die Welt um sie herum mit klarerem Blick zu erkennen. Und bei Bedarf an Hilfe, sogar dann doch den Mut finden, einzuschreiten.

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Etwas sehr betrüblich ist die Holprigkeiten aufweisende Übersetzung, und, VOR ALLEM der Anschlussfehler vom Prolog zur Airport-Szene, nämlich: dieses erst 'direkt Davor einreihen', dann plötzlich move-lose 'Dahinter im Rücken stehen'; lest selbst, ob es auch euch merkwürdig auffällt und irritiert - als ob eine dritte Person im Spiel wäre, oder irgendein weitreichender, noch undurchsichtiger Komplott zusätzlich in Vorbereitung sei…

Doch dies war wohl unbeabsichtigt, hier schließen anscheinlich lediglich Warteschlangen ineinander auf – trotzdem, welch vertane Chance, richtig richtig schade!, daraus nicht eine geniale Fährte, bzw. Winkelzug und sogar die Wende für den Schluss gestaltet zu haben! (evtl. sogar durch Castro?).

Auch auf extra schriftliche Nachfrage an Julie Clark selbst zu dieser obskuren Unstimmigkeit in der Szenenbeschreibung wurde dieser grobe Lapsus im Text der Autorin immer noch nicht bewußt.

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Je nach dem, wie man für sich während des Lesens zu einem erwarteten Schluss vorweg gekommen sein sollte, Hoffnung aufbaute, könnte der Ausgang noch mal erschüttern und tatsächlich die Sehnsucht nach einem zweiten Teil aufsteigen lassen – obschon das Buchende realistisch abschließt.

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Tolles Buchformat in nicht zu kleiner Schrift und als Klappbrochure inkl. Interview mit der Autorin. Der Schnitt jetzt noch in Rettungs-Leuchtorange oder Himmelozeanblau – das wäre on Top!

Hilfe zur Selbsthilfe, und doch auch: letztlich bedarf es der Eigen-Initiative und ein Mobilisieren restlicher Kraftreserven, der Mut sich zu überwinden und die Stirn zu bieten.

* * * FAZIT: * * *

Bringt ein One-Way-Ticket in ein neues Leben endlich das Zurück zur eigenen Identität?

Allein in Deutschland wurden 2019 lt. BKA-Statistik ca. 115.000 Frauen und 27.000 Männer Opfer von häuslicher Gewalt bzw. Partnerschaftsgewalt - die Dunkelziffer ist weit höher! und steigt rasant von Jahr zu Jahr.

Der einzige Ausweg ist nur die Flucht… nach vorn! Denn beunruhigend ist es, eine Lüge zu leben.

Es gibt immer eine Lösung, aber man muss mutig genug sein, sie zu erkennen (nach Claires Mom). Werde der du bist.

Bemerkenswert und ergreifend ist das Ausbrechen aus Isolation, und das Vertrauen und die Solidarität unter Frauen.

 

Schon mit Verve schreibt Julie Clark, ABER schöpft einfach nicht ALLES aus! Eine intensivere Präsenz häuslicher Gewalt, seiner Mechanismen, welche einem sturmvollen Weckruf gleichkommt, und mehr Thriller mit packendem Ausbau aller Charaktere, das hätte ich mir hier gewünscht, so dass es auch besonders Männer aufrütteln könnte. Ich befürchte, dass es gelangweilt weggelegt wird, ohne den Sprengstoff zu erkennen, der hier Frauenleben zerstört; dass es womöglich nur als ‚Frauenbuch‘ abgestempelt werden und es keinen größeren Lesekreis erreichen könnte. Dafür fehlt womöglich wenigstens ein männlicher Held auf Augenhöhe, der auch zu begeistern wüßte. 

Eine tiefgründiger Seelenschau in Claire, eine schneidendere Bewusstwerdung der Emotionen, und breite Darlegung Rorys Psyche, das vermisste ich.

In Liz‘ Worten zu Eva: „Vergiss nie, wer du bist (…). IN EINER WELT VOLLER LÄRM UND EGOISMUS BIST DU EIN FREUNDLICHER LICHTSTRAHL.“                                                                                                                  - das läßt sich auch auf Außenstehende anwenden: Wenn ihr es mitbekommt, traut Euch und versucht irgendwie zu helfen! Seid das kleine Licht, das es braucht, um den Ausgang des Tunnels wieder ausmachen zu können.                                                                                                                                         

E-i-n Hilfsangebot bietet z.B. der WEISSE RING: 7 Tage die Woche, von 7 bis 22 Uhr.

Opfer-Telefon 116 006  (Kostenfrei. Anonym.)

 

DER TAUSCH ist als Hörbuch in erfreulicherweise ungekürzter Lesung jedoch betrüblicherweise nur als Download erhältlich.

 

Bewertung: 3,5 Sterne