Rezension

Eine unerhört komische Tochter-Vaterbeziehung

Der Markisenmann -

Der Markisenmann
von Jan Weiler

Bewertet mit 5 Sternen

Autor: Jan Weiler, Genre: Fiktion, Verlag: Heyne, ISBN: 978-3-453-42749-5, 1. Auflage 2023, 333 Seiten, Preis Taschenbuch €12,00

Was wissen wir schon über unsere Eltern? Meistens viel weniger, als wir denken. Und manchmal gar nichts. Die fünfzehnjährige Kim hat ihren Vater noch nie gesehen, als sie von ihrer Mutter über die Sommerferien zu ihm abgeschoben wird. Der fremde Mann erweist sich auf Anhieb nicht nur als ziemlich seltsam, sondern auch als der erfolgloseste Vertreter der Welt. Aber als sie ihm hilft, seine fürchterlichen Markisen im knallharten Haustürgeschäft zu verkaufen, verändert sich das Leben von Vater und Tochter für immer. (Klappentext)

Für Kims Stiefvater Heiko ist Kims Vater “der feine Herr Papen”. Für Kim war er 15 Jahre lang der Unscharfe, weil das einzige Foto von ihm von schlechter Qualität ist. Jetzt hat sie an einem Abend ganz unbedacht, einen ganz großen Fehler gemacht. Während ihr kleiner Bruder, ihr Stiefvater und ihre Mutter in den Sommerferien nach Miami fliegen, wird Kim in den Zug nach Duisburg gesetzt, wo sie den Unscharfen zum ersten Mal sehen wird. 

Ungünstiger hätte es die verwöhnte Kim, die sich mit der Lieblosigkeit ihrer Eltern gegen sie arrangiert hat und von deren Reichtum profitiert, nicht treffen können. Ihr Vater lebt in einer Fabrikhalle und verkauft Markisen, die nach dem Mauerfall aus der DDR aufgekauft wurden und mit ihrem 70er-Jahre Retroprint unerhört aussahen.

Kim widersteht ihrem ersten Impuls einfach wieder abzuhauen, weil ihr Vater sie neugierig macht. Während sie sich in den nächsten sechs Wochen aneinander gewöhnen, erlebt Kim zum ersten Mal, was es heißt geliebt zu werden, einfach weil sie ist. Sie lernt andere zu beobachten und mit ihnen zu fühlen.

Die Melancholie, die ihn zuvor immer umwölkt hat, wich einer professionellen Gleichgültigkeit. S. 179

Ich mag diese Sätze.

Nach den Sommerferien wissen sie alles voneinander, haben sich jedes Geheimnis offenbart. 

Wir waren dann nie wie Vater und Tochter, wir sind uns immer auf eine traurige , aber vollkommen einvernehmliche Art fremd geblieben. S. 280

Fazit: Jan Weiler hat ein auf urkomische Weise unterhaltsames Kunstwerk geschaffen. Seine Situationskomik hat mir an vielen Stellen die Tränen in die Augen getrieben und mich zum Schluss Trauer spüren lassen. Zwischenzeitlich hatte ich mich mal gefragt, ob er seine 15-jährige Protagonistin altersgerecht darstellt.

Es stank nicht, denn dazu war dieses Odeur viel zu wenig aufgeregt. S. 62

Aber darüber konnte ich dann einfach hinweglesen. Es ist eine Tochter-Vatergeschichte, mit Geheimnissen, Fehlern, die man im Leben macht und ausbadet, die ich sehr empfehlen kann.

Der Autor: Jan Weiler, 1967 in Düsseldorf geboren, ist Journalist und Schriftsteller. Er war viele Jahre Chefredakteur des SZ Magazins. Sein erstes Buch »Maria, ihm schmeckt’s nicht!« gilt als eines der erfolgreichsten Debüts der letzten Jahrzehnte. Es folgten unter anderem »Antonio im Wunderland«, »Mein Leben als Mensch«, »Das Pubertier«, »Die Ältern« und die Kriminalromane um den überforderten Kommissar Martin Kühn. Auch sein jüngster Roman »Der Markisenmann« stand monatelang auf der Bestsellerliste. Neben seinen Romanen verfasst Jan Weiler zudem Kolumnen, Drehbücher, Hörspiele und Hörbücher, die er auch selbst spricht. Er lebt in München und Umbrien.