Rezension

Sommerferien in einer Duisburger Lagerhalle

Der Markisenmann -

Der Markisenmann
von Jan Weiler

Im Jahr 2005 ist Kim fünfzehn Jahre alt, hat ein schwieriges Verhältnis zu ihrer Familie und schlechte Noten in der Schule. Für den tätlichen Angriff auf ihren Bruder, durch den sie in der Jugendpsychiatrie landet, hat sie jedoch keine Erklärung. Als die Sommerferien anstehen, liefert ihre Mutter sie kurzerhand bei ihrem leiblichen Vater Ronald Papen ab, während der Rest der Familie nach Miami fliegt. Zu diesem hat Kim zuvor noch nie Kontakt gehabt. Nun soll sie die ganzen Ferien lang mit ihm in seiner Duisburger Lagerhalle leben, von wo aus er aus der DDR-Zeit stammende Markisen per Kaltakquise im ganzen Ruhrgebiet vertreibt. Kims anfängliche Ablehnung wandelt sich allmählich in Interesse, und sie will mehr über ihren Vater und die Vergangenheit herausfinden.

Die Geschichte wird von der erwachsenen Kim aus der Gegenwart heraus im Rückblick erzählt. Sie nahm mich mit in den Sommer 2005, als sie fünfzehn Jahre alt war und ihrem Bruder etwas Schlimmes angetan hat, für das sie im Rückblick keinerlei Erklärung hat. Da ihre Familie sie nicht sehen will, sie in den Ferien aber irgendwo bleiben muss, landet sie bei ihrem leiblichen Vater, von dem sie bis zu diesem Zeitpunkt abgesehen von seinem Namen nichts wusste.

Auf den ersten Blick versprechen die Ferien, der reinste Horror zu werden. Statt ihres luxuriösen Hauses in Köln soll sie nun in einem fensterlosen Raum in einer Lagerhalle mitten in einem Industriegebiet in Duisburg-Meiderich wohnen. Das Interessanteste hier ist die Pfütze vor der Halle, die sie hingebungsvoll am Leben hält, und der vierzehnjährige Alik, der ihr den Rasen am Rhein-Herne-Kanal als Privatstrand schmackhaft macht. Doch ihre Fluchtgedanken werden bald von der Faszination für das Ungewohnte abgelöst. Auch das Interesse an ihrem Vater wächst allmählich.

Nach einigen Tagen beschließt Kim, ihren Vater bei seiner Kaltakquise zu begleiten. Sie kann nicht fassen, dass er in diesem Jahr erst zwei der in ihren Augen wirklich hässlichen Markisen verkauft hat und hat bald einige Einfälle, wie sich das Geschäft ankurbeln lässt. Die Vater-Tochter-Szenen sind unterhaltsam, die vielen Stories rund um das Klinkenputzen und die Reaktionen der potenziellen Markisenkäufer verloren für mich jedoch bald ihren Reiz. Ich wartete auf Antworten, was Ronald Papens Vergangenheit anging, die erst sehr spät gegeben werden. Auch das Potenzial der Geschichte rund um Alik und Kim wurde nicht voll ausgeschöpft. Auf den letzten Seiten berichtet die erwachsene Kim, was in der Zeit nach den Sommerferien bis zur Gegenwart geschehen ist und sorgte damit für einen befriedigenden Abschluss.

„Der Markisenmann“ ist eine Coming of Age-Story, in der ich Kim während ihrer Sommerferien begleitete, die sie bei ihrem bis dato unbekannten Vater verbringen muss. Die Geschichte wird mit Charme und Humor erzählt und stimmt nachdenklich im Hinblick auf die Konsequenzen von Taten, die nicht entschuldbar sind. Ich fühlte mich gut unterhalten, hätte mir thematisch aber noch mehr Abwechslung gewünscht. Ein Roman für alle, die Lust auf eine im Ruhrgebiet spielende Vater-Tochter Geschichte haben.