Rezension

Beängstigend!

Shelter
von Ursula Poznanski

Bewertet mit 5 Sternen

Allgemeines:

Das Hörbuch „Shelter“ zum gleichnamigen Roman der Autorin Ursula Poznanski ist am 18.10.21 im Hörverlag erschienen. Es handelt sich um eine ungekürzte Lesung des renommierten Hörbuchsprechers Jens Wawrczeck. Wawrczeck hat eine angenehme Leserstimme, die passend zur Geschichte eine mitreißende Atmosphäre kreiert. Schön ist es, dass es sich um eine ungekürzte Version handelt, da sonst mit Sicherheit nicht die Stimmung und rasante Entwicklung der Geschichte deutlich geworden wäre.

Inhalt:

„Die Idee war völlig verrückt und sie wären niemals darauf gekommen, wenn die Party nicht so aus dem Ruder gelaufen wäre. Aus einer Katerlaune heraus erfinden Benny und seine Freunde eine irre Geschichte über außerirdische Besucher und verbreiten sie im Internet. Gespannt wartet die Clique ab, was passiert. Zu ihrer eigenen Überraschung nehmen immer mehr Menschen die Sache für bare Münze und Bennys Versuche, alles aufzuklären, bringen ihn schon bald in Lebensgefahr.

Was, wenn du dir eine völlig absurde Geschichte ausdenkst, sie zum Spaß in die Welt setzt und plötzlich glauben alle daran? Ursula Poznanskis neuer Bestseller ist eine wache Analyse der Mechanismen moderner Verschwörungsmythen und ein schockierender Thriller über einen Streich, der zur verwirrenden Realität wird.“ (Quelle: Bloggerportal)

Meine Meinung:

Wie so oft gelingt es Poznanski ihre Leser*innen oder in diesem Fall Hörer*innen direkt in ihren Bann zu ziehen. Sie kreiert eine Geschichte voller Spannung, die so mitreißend und überraschend ist, dass man manchmal beinahe selbst Paranoia hat.

Ihr neuer Roman ist so realitätsnah, das man an so mancher Stelle den Kopf schütteln muss. Man fühlt sich an viele Ereignisse erinnert, die gerade so oder ähnlich passieren. Poznanski führt uns vor Augen, wie wenig wahrer Kern vorhanden sein muss, um Menschen zu finden, die einer Verschwörungstheorie Glauben schenken, diese verbreiten und beginnen, andere Menschen auszugrenzen, zu hassen, zu jagen.

Sowohl in ihrem Buch als auch in der Realität können Anhänger*innen solcher Theorien häufig nicht mehr zwischen Recht und Unrecht und Wahrheit und ausgedachten Details unterscheiden. Sie glauben alles, hinterfragen nichts und sehen in kleinsten medialen Veröffentlichungen Bestätigungen ihrer Gedanken. Das führt zu Ereignissen, die Ausmaße annehmen, die wir uns teilweise nicht vorstellen können.

Die von Poznanski gewählte Basis für die Verschwörungstheorie ist so abstrus, das man sich nicht erklären kann, dass Menschen an ebendiese glauben könnten. Selbst die WG-Mitglieder, die sich die Theorie an einem lustigen Abend ausdenken, rechnen nicht wirklich damit, dass ihre Theorie weitergesponnen wird. Mit Sicherheit hat die Autorin mit Absicht zu solch an den Haaren herbeigezogenen Elementen gegriffen, um deutlich zu machen, dass Menschen auch in der echten Welt an Dinge glauben, die jederzeit widerlegt und wissenschaftlich fundiert als nichtig beschrieben werden könnten. Ich weiß nicht, was an dieser Stelle erschreckender ist: Die (momentane) Realität oder die Aktualität der Fiktion?

Nun aber zurück zur Geschichte. Shelter ist wie ein Sog. Poznanski entwickelte ihre Charaktere so passend und realistisch, dass man sie vermutlich in jeder größeren Stadt so finden könnte. Man kann sich mit ihnen identifizieren und erlebt das Gefühl der Entstehung der Theorie als Euphorie innerhalb der WG mit. Nach und nach schlägt dieses Gefühl um, man ist betroffen, möchte nicht, dass sich die Theorie weiterentwickelt. Zu dem Zeitpunkt als die WG keine Kontrolle mehr über die Verbreitung der Theorie hat, entsteht eine solche Bedrohlichkeit, dass man am liebsten nur noch wissen möchte, wie alles ein Ende nehmen wird. Und auch dort überrascht uns Poznanski wieder einmal. Hinter alldem steckt etwas so Unerwartetes. Poznanski kann es einfach: Ihr gelingt es erneut, einen völlig anderen Jugendroman zu schreiben. Ihre Bücher sind nicht nach Schema-F konstruiert oder aufgebaut. Sie sucht sich ein aktuelles Thema und bringt es als realitätsnahe Geschichte aufs Papier. Sowohl bei Cryptos als auch hier ist ihr das fulminant gelungen.

Fazit:

Eine dringende Hör- oder Leseempfehlung für alle jugendlichen und älteren Leser*innen der heutigen Zeit. Und besonders für alle, die mal wieder in den alternativen Medien nach der Wahrheit gesucht haben…