Rezension

Arg konstruiert

Shelter
von Ursula Poznanski

Bewertet mit 3 Sternen

Es war eine verrückte Partyidee: Benny und seine Freunde erschaffen den Rahmen für eine Verschwörungstheorie. Was als witziger Einfall beginnt, nimmt schnell bedrohliche Züge an, weil die Shelter-Bewegung immer mehr Anhänger gewinnt.

Ursula Poznanski steht mit ihren Jugendbüchern bei mir hoch im Kurs. Sie verarbeitet aktuelle Problematiken, gibt ihnen eine spannende Handlung und fesselt mit jugendlichen Protagonisten, während sie auf ernste Themen aufmerksam macht.

Deshalb war es für mich klar, dass ich „Shelter“ lese. Poznanski greift darin die Thematik der Verschwörungstheorien, ihre Funktionsweise und Dynamik auf. 

Gleich der Einstieg in die Geschichte war lebensnah. Benny und seine Freunde sind im letzten Akt einer Partynacht, die wegen brisanter Weltanschauungen daneben gegangen ist. Es kam zu Diskussionen aufgrund von Verschwörungstheorien und ein Pärchen hat dadurch die Laune gedrückt. 

Danach sitzen die Freunde beisammen, sinnieren über das Leben und kommen auf die Idee, selbst eine Verschwörungstheorie anzuleiern. Zuerst ist es ein Gedankenspiel, nimmt im jugendlichen Elan schnell konkrete Züge an und ihre Einfälle werden kurzerhand umgesetzt. 

Die Freunde sind selbst überrascht als ihre Verschwörungstheorie, online und analog, rasch Fahrt aufnimmt und damit sogar zu einer Bedrohung wird.

Der Anfang hat mir sehr gut gefallen, weil Poznanski ein realistisches Bild von den Studenten schafft. Sie feiern ein bisschen, krachen mit unterschiedlichen Meinungen aufeinander und kommen aus einer Laune heraus auf eine blöde Idee, die sie sofort in die Tat umsetzen. 

Dann wird es mir zu blass und zu konstruiert erzählt. Im Mittelpunkt steht Benny. Aus seiner Perspektive erfährt man die Geschichte und merkwürdigerweise wird er zum Dreh- und Angelpunkt der selbst konstruierten Verschwörungstheorie. Am Anfang wurde der Unfug von allen Freunden gemeinsam in die Welt gebracht. Als die Ereignisse kippen, interessiert sich nur mehr Benny dafür, was sie angerichtet haben. Die anderen - bis auf Bennys Gegenspielerin - ziehen sich desinteressiert zurück und nehmen nur mehr als Randfiguren am Geschehen teil. 

Die Verschwörungstheorie um die Shelter ist lächerlich, was ausdrücklich kein Kritikpunkt ist! Mittlerweile ist allgemein bekannt, dass Menschen die verrücktesten Behauptungen für bare Münze nehmen. Weniger glaube ich, dass so schnell die Grenze zur Gewalt überschritten wird. In einer Facebook-Gruppe werden Menschen als Zielscheibe gekennzeichnet, woraufhin es tatsächlich zu Übergriffen kommt. Trotz erhitzter Gemüter gehört meiner Meinung einiges an Verblendung, Wut und fehlgeleitetem Mut dazu, bewusst einen Plan auszuhecken und Personen ernsthaft zu verletzen.

Spätestens an diesem Punkt wäre ich an Bennys Stelle zur Polizei gegangen und hätte die betreffende Facebook-Gruppe und die Accounts dahinter gemeldet. Doch Benny nimmt die Sache selbst in die Hand.

Danach kommt es zu einer Konfrontation, die für mich überhaupt nicht passt, und die Handlung in eine haarsträubende Richtung führt. Am Ende ist alles gut und jedes Verbrechen wird verziehen, obwohl es Gewaltaufrufe und entsprechende Taten gab.

Poznanski packt neben den Verschwörungstheorien zusätzlich eine Portion Esoterik rein, und damit kein Brennpunkt fehlt, wird die Flüchtlingskrise angesprochen. Das war mir alles zu viel. Es ist von vielen ein bisschen vorhanden, was letztendlich nur an der Oberfläche kratzt.

Die Dynamik von Verschwörungstheorien hat die Autorin sehr gut getroffen. Poznanski zeigt, wie schwierig es ist, mit Fakten zu argumentieren, welche Abwehrmechanismen eingesetzt werden und wie unzugänglich verblendete Menschen sind. Amüsant und gleichzeitig beängstigend war es, als Benny versuchte, andere von der Nichtexistenz der Shelter zu überzeugen, und wie sich die Anhänger mit Händen und Füßen zu Wehr setzten. Dabei hat ja Benny selbst die Shelter in die Welt gebracht. 

Ich denke, es ist nicht das beste Buch von Ursula Poznanski. Es lässt sich flüssig lesen, macht trotz meiner Kritik Spaß und die Punkte um die Verschwörungstheorie empfand ich gut umgesetzt. Es ist schade, dass die Handlung arg konstruiert, abgehoben und damit unglaubwürdig ist. Trotzdem glaube ich, dass andere Leser spannende Lesestunden im Universum der Shelter haben werden.