Rezension

Tourette als kreative, künstlerische und humorvolle Ressource

Sechs Millionen Kekse im Jahr - Jessica Thom

Sechs Millionen Kekse im Jahr
von Jessica Thom

Bewertet mit 5 Sternen

Die in London lebende Jessica Thom berichtet hier auf sehr berührende Weise von ihrem Leben mit dem Tourette Syndrom.

Leise Symptome begannen schon in ihrer Kindheit, wurden aber erst später stärker und deutlicher. Irgendwann konnte sie ihr Tourette nicht mehr ignorieren und stellte sich dieser neurologischen Erkrankung, deren Ursachen bislang nicht eindeutig geklärt sind.

Ein Jahr lang, von Januar bis Dezember, schildert sie ihr Leben in Form eines tagebuchartigen Berichts. Sie nimmt dabei ihre vokalen und motorischen Tics genau unter die Lupe und zeichnet auch ihre Wort- und Satzkreationen – oft lustig und auch lyrisch – auf. Als sie von einer Tourette Konferenz berichtet, heißt es an einer Stelle: „Wenn jemand in deiner Familie eine Tourette Diagnose bekommt, solltest du dir viel Sinn für Humor zulegen.“ (S. 159).

Sie schreibt sehr warmherzig über ihre Freunde und Familie, die sie stets unterstützen sowie auch über ihre Arbeit in einem Kinderprojekt.

Im Laufe des Jahres verschlimmern sich ihre Tics allerdings so, dass sie nun auf die Unterstützung eines Rollstuhls und verschiedener häuslicher Betreuer angewiesen ist. Hier ist es sehr interessant zu lesen, wie schwer es ihr fällt, diese Unterstützung anzunehmen. Doch erst die Akzeptanz der Erkrankung und das Annehmen der Hilfe verbessern ihre Lebensqualität tatsächlich. Sie beginnt zudem die positiven, humorvollen und kreativen Seiten des Tourette wahrzunehmen und zu schätzen.

Immer wieder berichtet Jessica auch von den verschiedenen Reaktionen fremder Menschen, z.B. während der Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel. Die oft verständnislosen, aggressiven oder abwertenden Reaktionen machten mich sehr betroffen und frustrierten mich. Jedoch schreibt sie, dass es trotz allem mehr hilfsbereite und wohlwollend interessierte Reaktionen gebe.

Generell wusste ich bei vielen Situationen nicht, ob ich nun lachen oder weinen soll. Humor, Verzweiflung, Traurigkeit, Erleichterung, Hoffnung, Freude, Schmerz – all diese Gefühle wechseln sich ab bzw. sind gleichzeitig da. Ein sehr emotionales Buch, aber auch ein nachdenklich stimmendes Buch. Ein Nachdenken über den Umgang mit andersartigen Menschen, aber auch ein Nachdenken über das Leben als Mensch mit Behinderung.

Am Ende gibt Jessica Thom noch weiterführende Erklärungen zum Tourette Syndrom sowie Adressen und auch Verweise auf Videos und die Homepage ihres Tourettes- Hero Blogs. Hier lohnt es sich definitiv vorbei zu schauen!

Das Buch ist sehr charmant, humorvoll, klug und kurzweilig geschrieben. Ich bekam tiefen Respekt vor dieser mutigen und starken Frau.

Fazit: Eine sehr berührende und sehr interessante Schilderung des Lebens mit Tourette. Man erfährt viel von der Krankheit, man lernt die Schwierigkeiten, aber auch die humorvollen und kreativen Seiten kennen. Darüber hinaus ist es ein sehr mutmachendes Buch für alle Menschen, die von Behinderung betroffen sind. Sehr empfehlenswert.