Rezension

Mit Keksen durchs Jahr

Sechs Millionen Kekse im Jahr - Jessica Thom

Sechs Millionen Kekse im Jahr
von Jessica Thom

Bewertet mit 4.5 Sternen

Die Vorstellung, die man von der Tourette-Krankheit hat, sind im ersten Augenblick nicht falsch, wenn man dieses Buch liest. Im Gehirn läuft bei diesem Krankheitsbild etwas ab, was ich wie ständige Kurzschlüsse beschreiben würde, die in verbalen und motorischen Zuckungen herauskommen. Dies sind aber nicht immer nur derbe Flüche, sondern weitaus häufiger, zumindest im Falle der Autorin Jessica Thom, seltsame Wortkombinationen, für den Aussenstehenden wirre Sätze und im besonderen das Wort Keks. Man kann sich als gesunder Mensch nicht vorstellen, was hier im Kopf abläuft, da ihre Äußerungen und Bewegungen unsteuerbar und unverhersehbar sind. Dennoch überrascht Jessica mit einer riesengroßen Portion Lebensmut, Weisheit und Humor, die ihr durch die Widrigkeiten ihres Alltags helfen. Auf eine Weise ist sie wirklich eine Behinderte, da sie oft die Hilfe fremder Menschen benötigt, um ihres verrückt spielenden Körpers Herr zu werden. Dies ist meist auch peinlich und unangenehm - ihr, weil sie diese Hilfe braucht aber gar nicht brauchen will und den Menschen, weil sie aus Unwissenheit oder Ignoranz oft falsch reagieren und sie und ihre Krankheit falsch einschätzen. Als Laie weiß man natürlich viel zu wenig von Tourette aber wie bei allen Behinderungen sollte man doch ganz normal und freundlich mit den Betroffenen umgehen und sie fragen, ob sie Hilfe benötigen und in welcher Form.
Sechs Millionen Kekes erzählt in Tagebucheinträgen von einem Jahr im Leben von Jessica. All ihre persönlichen Höhen und Tiefen werden teils sehr kurz und ehrlich geschildert. Sie spart nicht an Ironie und Selbstbetrachtung aber man spürt auch, dass sie manchmal an den garstigen Mitmenschen fast verzweifeln möchte. Erschreckend fand ich, dass sie sich manchmal Dinge versagt, da sie Angst hat vor ihren Ticks und den daraus resultierenden Situationen. Schön ist aber, dass sie liebe Menschen hat, die ihr immer wieder aufhelfen, sie aufrichten und sie von Herzen so lieben, wie sie nämlich ist. Ein kluger und lebenslustiger Mensch, der trotz einer hinterhältigen Krankheit, die im Laufe ihres Lebens immer neue größere Ticks nach sich zieht, das eigene Glück sucht und unbeirrt an das Gute glaubt.
Ein wunderschönes Buch.
Es ist sehr dünn - der Preis ist wirklich horrend und wird viele interessierte Leser abschrecken, was schade ist. Ds sollte der Verlag überdenken. Ich ziehe aber keinen Stern ab, weil das Buch so schön ist.