Rezension

Spannendes Überleben auf See mit Einblicken in Religion und Tierwelt! Wunderbar erzählt!

Schiffbruch mit Tiger - Yann Martel

Schiffbruch mit Tiger
von Yann Martel

Piscine Molitor Patel, genannt Pi, lebt mit seinen Eltern und seinem Bruder in Pondicherry,Indien. Sein Vater ist Inhaber und Direktor eines Zoos, entscheidet sich diesen zu schließen und nach Kanada auszuwandern. Gemeinsam mit dem halben Zoo geht die Familie an Bord eines japanischen Frachters. Doch sie erleiden Schiffbruch und Pi rettet sich auf ein Rettungsboot. Seine Fahrt ins Ungewisse beginnt und er wird begleitet von einer Hyäne, einem Orang-Utan, einem verletzten Zebra und einem 450 Pfund schweren bengalischen Tiger namens Richard Parker.

Diese Odyssee habe ich 2013 als Kinofilm gesehen und war völlig begeistert. Dann bekam ich das Buch geschenkt und hatte erst meine Zweifel, ob es so gut sein könnte wie der Film. Doch die wunderbare Begeisterung hat mich wieder gepackt, selten greift ein Film so detailgenau die Buchinhalte auf wie hier. Buch und Film sind beides Meisterwerke.

Beim Lesen hatte ich dieselben fantastischen Bilder vor mir, die Ängste bei Sturm und vor der gefährlichen Großkatze, die ausweglos scheinende Situation, Einsamkeit und den Hunger und Durst auf See. Die Szenerie spielt sich so lebendig und glaubwürdig ab, das man dem Buch gefesselt folgt und wie gefangen ist, in der Geschichte von Piscine.

Der einzigartige Charakter von Pi ist wunderbar dargestellt. So verfügt er über ungewöhnliche Ausdauer und enormem Mut. Aber das Besondere an ihm ist sein Glaube. So glaubt er an Gott und ist gleichzeitig praktizierender Christ, Hinduist und Moslem. Seine Liebe zu Gott und zu allen Geschöpfen der Erde ist deutlich spürbar.

Nach sagenhaften 270 Tagen auf See endet die Irrfahrt dann endlich an der mexikanischen Küste. Er erstellt sich einen festgelegten Tagesplan und sein  fast fanatischer Überlebenswille bringt ihn dazu, den Tiger zu dressieren und mit Futter zu versorgen. Er kämpft und gibt nicht klein bei. Der Zwang, sich mit dem Tiger täglich auseinanderzusetzten, hält ihn wach und überlebensfähig.

Yann Martel schafft es zu fesseln. Er hat mich mit seinem einzigartigen  Erzähltalent unterhalten, geschockt, geängstigt, traurig gemacht, fassungslos und staunend und auch noch interessante Inhalte über Religion und Tierwelt eingebracht. Dieses Buch ist ein Leseerlebnis voll Emotionen. Aber es lässt auch Interpretationsmöglichkeiten freien Raum. So wirken nicht alle Geschichten authentisch, tragen aber einen Symbolcharakter in sich. Das macht die Erzählung gerade so interessant. 

Abschließend kann ich nur noch anmerken, dass "Schiffbruch mit Tiger" eine außergewöhnliche, fesselnde und einzigartige Lektüre ist, die sich dem Leser mit den dargestellten Emotionen unauslöschbar einbrennt. Hier hat man es mit einem ganz besonderen Werk zu tun, für dessen literarische Genialität man dankbar sein muss. Eigentlich 6 Sterne!