Rezension

Propaganda, Fehlinformation und Fake News

Russische Botschaften -

Russische Botschaften
von Yassin Musharbash

Bewertet mit 4 Sternen

In seinem neuen Thriller “Russische Botschaften“ schreibt Yassin Musharbash über ein Thema, bei dem er sich bestens auskennt. Er ist stellvertretender Ressortleiter des Ressorts Investigative Recherche und Daten von ZEIT und ZEIT ONLINE.

Die Journalistin Merle Schwalb ist gerade innerhalb der Redaktion der Zeitschrift Globus aufgestiegen. Als sie mit einem Kollegen in einem Straßencafé in Berlin sitzt, fällt ein Mann von einem Balkon. Die Polizei gibt weder seinen Tod noch seine Identität bekannt. Wie sich später herausstellen wird, handelt es sich um einen russischen Agenten, der sowohl für den russischen Geheimdienst GRU als auch für den Verfassungsschutz gearbeitet hat. Letzterem wollte er eine Liste mit verschlüsselten Namen von Deutschen übergeben, die zum Teil sehr viel Geld von russischen Stellen bekommen. Diese Liste gelangt in die Hände von Journalisten von zwei Publikationen, die beschließen, ausnahmsweise zu kooperieren. Die Gruppe trifft sich fünf Wochen lang auf dem Land in einem abgelegenen Gehöft, das einer Freundin von Merle gehört.

In mühsamer Kleinarbeit tragen die Journalisten Informationen zusammen, die das ungeheure Ausmaß der Einmischung russischer Stellen in deutsche Angelegenheiten beweisen. Dabei geht es um die Verbreitung von Fehlinformationen, um Destabilisierung, Hetze und Spaltung der Gesellschaft und um die Verbesserung des russischen Ansehens im Ausland – nicht zu vergessen die russischen Hackerangriffe, die in die Präsidentschaftswahl in den USA und das britische Brexit-Referendum eingriffen. Keine dieser Aktivitäten lässt sich zu Putin zurückverfolgen, weil Tausende dabei mitmachen und teilweise von russischen Oligarchen finanziert werden, die dem Kreml nahestehen. Für die Investigativ-Journalisten wird die Recherche immer gefährlicher, weil sie zwei hochrangige Mitglieder in den eigenen Reihen enttarnen und selbst ins Visier der Geheimdienste geraten. Ein Shitstorm im Internet ruiniert kurz vor der geplanten Veröffentlichung ihre Reputation und macht sie arbeitslos. Am Ende schreibt Merle Schwalb ihren Artikel, aber ob er jemals veröffentlicht wird, bleibt offen.

Der Roman ist spannend und liest sich gut. Die Charakterisierung der Figuren ist gelungen, wobei nicht alle so sympathisch sind wie Merle Schwalb. Ich fand es beklemmend, wie realistisch die Geschichte wirkt, zumal sie durch wiederholte Erwähnung von real existierenden Personen und Ereignissen zusätzlich an Authentizität gewinnt. Aus dem halboffenen Ende schließe ich, dass der Autor eine Fortsetzung plant. Ich freue mich darauf.