Rezension

Niederwesseling 1793

Wind von Westen - Cordula Broicher

Wind von Westen
von Cordula Broicher

Bewertet mit 4 Sternen

Agnes (26), die junge Halfin des Kirchhofs in Niederwesseling, hat vor kurzem ihren Mann verloren. Um den Hof zu halten ist sie gezwungen einen neuen Mann zu heiraten, der in der Lage ist den Hof zu führen und die abgeschlossenen Pachtverträge einzuhalten. Damals waren Zweckehen an der Tagesordnung, es ging bei einer Ehe nicht um Liebe und Zuneigung sondern um das knallharte Leben. Deswegen bewarb man sich damals auf die Stelle als Ehemann und die Eltern bzw. der Vater der zukünftigen Braut suchte sich den Mann aus dessen Bewerbung am verheißungsvollsten war. Für uns in unserer heutigen Zeit eine unvorstellbare Vorgehensweise.

Balthasar (24) wächst auf dem Antoniterhof in Godorf auf. Als 5. Sohn hat er fast keine Chance auf dem Heimathof mehr zu werden als einfacher ein Knecht und da er insgeheim schon lange in Agnes verliebt ist, bewirbt er sich um die Stelle des Halfen auf dem Kirchhof.

Die Wahl des alten Jakob Frings fällt tatsächlich auf Balthasar und er wird Agnes Ehemann und neuer Halfe des Kirchhofs.

Hier beginnt die Geschichte des Kirchhofs in einer Zeit, in der es alles andere als leicht war einen Hof zu bewirtschaften. Die Französische Armee steht Gewehr bei Fuss um über den Rhein zu marschieren, auf den Feldern schlugen die Besatzer ihre Lager auf, die Höfe wurden mit Einquartierungen belastet und zu den üblichen Zwangsabgaben an die Verpächter der Halfenhöfe, mussten nun zusätzlich noch die Alliierten mit Heu und Hafer versorgt werden. Die Bewohner vieler Höfe konnten froh sein, wenn sie abends das Schwarze unter den Fingernägeln hatten.

Balthasar wird nicht von allen Hofbewohnern freundlich aufgenommen und der alte Frings regiert mit harter Hand. Erst als Balthasar sich gegen seinen Schwiegervater durchsetzt zollt man ihm nach und nach den Respekt, der ihm als „Vater“ des Hofes gebührt.

Im historischen Roman „Wind von Westen“ verarbeitet die Autorin Cordula Broicher ihre eigene Familiengeschichte. Balthasar Broicher und Agnes Frings sind ihre Ur-Ur-Ur-Großeltern.

Viele Personen und Geschehnisse sind tatsächlich aus dem echten Leben der Broichers, und genau so passiert, einiges ist aber auch fiktiv und dient nur dem Fluss der Erzählung. Zu den echten Personen und ihren persönlichen Daten gibt es im Anhang des Buches eine Übersicht. Ebenso findet der Leser eine topographische Gebietskarte von Cöln.

Ich kannte von Cordula Broicher bisher die beiden Spannungsromane „Die Zeit danach“ und „Feuerprobe“ aber sie kann sich auch auf dem Gebiet der historischen Romane durchaus mit anderen Autoren messen. Sie hat einen wirklich angenehmen Schreibstil, man fühlt sich direkt wohl in ihren Büchern und die Geschichte fließt ohne zu stocken über die Seiten. Auch wenn ein historischer Roman keine Spannungselemente im eigentlichen Sinne enthält, so schafft Cordula Broicher es den Leser über 364 Seiten bei der Stange zu halten.

Nach eigener Aussage denkt die Autorin über eine Fortsetzung der Geschichte von Balthasar nach. Zuerst einmal haben jedoch andere Projekte Vorrang. Der Schluss des Buches „Wind von Westen“ lässt jedoch Raum für eine Fortsetzung und sollte diese tatsächlich erscheinen, so werde ich sie gerne lesen.