Rezension

Gleichermaßen faszinierend wie abstoßend

Trophäe -

Trophäe
von Gaea Schoeters

Bewertet mit 5 Sternen

Die Journalistin und Autorin Gaea Schoeters, geboren 1976, hat mit diesem Roman in ihrer flämischen Heimat Aufsehen erregt. Nun ist „ Trophäe“ auch in Deutschland erschienen und dem Buch wurde auch hier schon viel Aufmerksamkeit geschenkt. Denn es ist eine gleichermaßen faszinierende wie abstoßende Geschichte, die sie uns hier erzählt.
Der Protagonist mit dem sprechenden Namen White Hunter ( wem das zu plump erscheint, bekommt von der Autorin eine schlüssige Erklärung dafür ) ist ein schwerreicher Amerikaner, dessen große Passion die Jagd ist, vornehmlich die Großwildjagd. Er ist in Afrika, um endlich seine „ Big Five“ abzuschließen. Nach Elefant, Löwe, Leopard und Kaffernbüffel fehlt ihm nur noch das Spitzmaulnashorn. Seiner Frau, einer Kunst- und Antiqitätenhändlerin, will er die Trophäe für ihre Sammlung zum Geschenk machen. Hunter hat sehr viel Geld für die Jagdlizenz bezahlt und gemeinsam mit dem Jagdleiter und Freund van Heeren begibt er sich auf die Spur des begehrten Tieres. Doch Wilderer kommen ihm zuvor, denn das Horn ist wertvoll und verspricht viel Geld. Hunter ist enttäuscht. Da macht ihm van Heeren ein verlockendes Angebot. Ob er schon mal von den „ Big Six“ gehört habe? Anfangs ist Hunter schockiert , doch dann siegt sein Jagdtrieb über seine moralischen Bedenken.
Es ist ein erschreckendes Gedankenexperiment, auf das uns die Autorin hier mitnimmt. Und sie versteht es sehr geschickt, uns beinahe zum Komplizen ihrer Hauptfigur zu machen. Sie nimmt uns mit in seine innersten Gedanken, Gefühle und Überlegungen und schreibt dabei so eingängig, dass man anfänglich bereit ist, seiner Argumentation zu folgen. Auch wenn man die Großwildjagd vehement ablehnt, scheint es doch glaubwürdig, dass eine gezielte Jagd dem Schutz der Tiere dient. Denn, so Hunter, das viele Geld, das einer bereit ist für den Abschuss eines Tieres zu bezahlen, werde in den Arten- und Umweltschutz der Region gesteckt. Die anderen Tiere werden weiterhin vor Wilderen geschützt, das Fleisch bekommt die Bevölkerung und die wiederum erhält Arbeit und Verdienst als Fährtenleser und Treiber. Angeblich eine Situation, bei der alle nur gewinnen können. Doch Recherchen im Netz haben mir dann gezeigt, dass es sich Hunter mit seiner Argumentation etwas sehr einfach macht, denn die Problematik erweist sich als weitaus vielschichtiger als er es darstellt. Umweltschützer und Ethnologen kommen auf ganz andere Ergebnisse als Jäger und Jagdverbände.
Doch das ist nur eine von vielen Erkenntnissen, die ich aus dem Roman mitnehme.
Denn es geht der Autorin nicht nur um das Thema Großwildjagd, sondern auch um den Zusammenprall zweier Kulturen und die Folgen des Kolonialismus. 
Mit Hunter haben wir einen typischen Vertreter des weißen Mannes, der von seiner Überlegenheit und der der westlichen Kultur überzeugt ist. 
„ Denn nur er, Hunter, und niemand anderes, steht ganz oben in der Nahrungskette.“ Trotzdem treibt ihn eine Art romantischer Sehnsucht nach Afrika. „ Für ihn ist Afrika ein großes Naturreservat, von Gott geschaffen, um ihm Freude zu bereiten….Afrika ist sein Vergnügungspark, sein Jagdgebiet.“
In seinem Beruf als Börsenspekulant geht es um wenig Konkretes. Er lebt von den Hoffnungen anderer, oft an der Grenze zur Illegalität. Aber im Privaten sucht er das wahre, das authentische Leben, das Archaische und Ursprüngliche, die existenzielle Gefahr. Das scheint er in der Jagd zu finden, in der wilden Natur Afrikas. Dabei weiß er schon lange, dass es das wahre Afrika, das Afrika vor den Weißen, nicht mehr gibt. Zerstört von Menschen wie ihm. Und am Ende muss Hunter erkennen, dass seine westliche Überlegenheit nur eine vermeintliche ist angesichts den Gesetzen, die in der wilden Natur herrschen.
Auch van Heeren, der sehr gut von den reichen Weißen lebt, die sich bei seinen organisierten Jagden vergnügen und bestätigen, weiß, welche Schuld die Kolonialherren von früher an der jetzigen Situation in Afrika tragen. „ Unsere Vorfahren haben sie umgesiedelt, was eine nette Formulierung dafür ist, dass wir uns ihr Land unter den Nagel gerissen haben. Weil wir sie gezwungen haben, in Städten zu wohnen, sind die besten Jäger des Kontinents innerhalb von drei Generationen zu Alkoholikern und Drogensüchtigen verkümmert.“
Und die Ausbeutung von Land und Leuten geht ja weiter. Der Leser wird sich entsetzt abwenden von der grausamen Jagd im Verlauf des Buches. Gleichzeitig nehmen wir es aber hin, dass die westliche Welt mit ihrem Geld immer noch die Bedingungen stellt und die afrikanische gezwungen ist, sich denen zu unterwerfen.
Doch nicht nur die weißen „ Herrenmenschen“ werden im Roman porträtiert. Der Leser bekommt auch einen kleinen Einblick in afrikanisches Leben und afrikanische Kultur. Dabei legt sich die Autorin nicht konkret fest auf eine Region oder eine Ethnie. Sie zeigt nur den Gegensatz zwischen westlicher Individualität zu afrikanischem Gemeinschaftsdenken, die unterschiedlichen Motivationen zur Jagd und die Unterschiede im Wertesystem. „ Deine westliche Moral ist ein Luxusprodukt, das man sich leisten können muss. Der Rest der Welt muss mit Pragmatismus auskommen.“ Auch das wieder Sätze, die zum Nachdenken zwingen.
„ Trophäe“ ist in vieler Hinsicht ein Roman, der Augen öffnet, uns neue Blickwinkel eröffnet, ohne belehrend zu sein. Die Autorin beschreibt, schildert Situationen und Abläufe, ohne zu werten. Ein Urteil muss sich der Leser selbst bilden. 
Dabei ist das Buch unglaublich spannend und fesselnd. Die Autorin erzeugt faszinierende Bilder und schafft eine Atmosphäre, die den Leser direkt teilhaben lässt. Grandiose Tier- und Landschaftsbeschreibungen im Wechsel mit actionreichen Szenen und griffigen Dialogen entwickeln einen Sog, dem man sich kaum entziehen kann. Ein ungewöhnlicher Roman, der Stoff bietet für lange Diskussionen.