Rezension

Ein historischer Roman, der durch Detailgenauigkeit und sehr gute Recherche punktet

Vor dem Abgrund - Tom Finnek

Vor dem Abgrund
von Tom Finnek

London im ausgehenden 19. Jahrhundert - mitten in den Elendsvierteln des East End: Whitechapel, Spitalfields - eine Szenerie, die mir aus Anne Perrys Inspektor Pitt - Fällen bestens vertraut ist. Und so detailgenau und -getreu, wie ich es von Frau Perry kenne, lässt auch Tom Finnek diese Welt auferstehen. Man sieht den Dreck, riecht den Gestank und erlebt die Verzweiflung, Agression und Resignation der Bevölkerung mit  - man erlebt aber auch, dass sich nicht alle unterkriegen lassen, dass manche dennoch ihrem Weg, ihrer Bestimmung und ihren Träumen folgen.

Tom Finnek hat ein Händchen für Charaktere - und die, die ihr meinen Blog schon länger kennt, wisst, dass mir gut charakterisierte Protagonisten sehr wichtig sind. Diese bietet "Vor dem Abgrund" in einer Vielzahl. Nicht nur die Hauptfiguren Celia und Rupert, auch Nebencharaktere sind so bildhaft und realistisch gezeichnet, dass sie und ihre Welt Kopfkino total bieten.

Sehr interessant war für mich die Einbettung der Heilsarmee in dieses Buch. Bisher war die Heilsarmee für mich nur ein diffuser Begriff - in diesem Buch lernt man sie näher kennen, wofür sie stehen und wie sie ihren ganz persönlichen Krieg gegen die Übel der Gesellschaft führen.

Ebenfalls sehr positiv aufgefallen ist mir, wie Tom Finnek die fiktive Handlung mit geschichtlichen Begebenheiten und realen Personen verknüpft - dadurch fühlt sich der Leser tatsächlich in die Geschichte versetzt.

Gefehlt hat mir einzig ein wenig Esprit oder Charisma, gerade Rupert wäre dafür prädestiniert gewesen, aber er wirkte immer ein wenig stoffelig - das ist aber auch schon mein einziger Kritikpunkt.