Rezension

Urban-Fantasy mit Gruselfaktor

Was geschah mit Mara Dyer? - Michelle Hodkin

Was geschah mit Mara Dyer?
von Michelle Hodkin

Bewertet mit 5 Sternen

‟Was geschah mit Mara Dyer?“ ist der Debütroman der amerikanischen Autorin Michelle Hodkin und gleichzeitig der Auftakt einer Fantasy-Trilogie für Jugendliche beziehungsweise junge Erwachsene, die als Kern ihrer Fantasy-Elemente paranormale Phänomene zum Thema macht.

Zum Inhalt: Mara Dyer hielt sich mit drei Freunden in einem alten Haus auf, als dieses über ihnen zusammenstürzte. Nur Mara konnte lebend und mit leichten Verletzungen geborgen werden, doch sie kann sich an nichts mehr erinnern. Einige Wochen später zieht Mara mit ihrer Familie nach Florida um, doch das Ereignis verfolgt sie weiterhin. Sie hat Alpträume und Halluzinationen, während die Erinnerungen an die Todesnacht ihrer Freunde langsam zurückkehren. Als sich in Maras Umfeld auch noch merkwürdige Todesfälle ereignen, fürchtet sie langsam verrückt zu werden. Nur bei ihrem Mitschüler Noah findet sie Halt, denn er kann sie besser verstehen, als sie zunächst ahnt...

‟Was geschah mit Mara Dyer?“ weckte anfangs durch den ungewöhnlichen Titel und das wundervoll gestaltete Cover dieser Klappenbroschur – übernommen vom amerikanischen Original – meine Aufmerksamkeit. Zudem versprach der Klappentext Abwechslung: Es handelt sich wie bei vielen Jugendbüchern aktuell um Urban-Fantasy, aber ohne die üblichen Verdächtigen aus den Kreisen der übernatürlichen Wesen. Keine Vampire, Werwölfe, Engel, Dämonen oder sonstige unsterbliche, fantastisch aussehende gottgleiche Gestalten treiben hier ihr Unwesen. Stattdessen geht es um das Paranormale und was mit ein bisschen Gläser rücken beginnt, sorgt im Laufe der Geschichte für ein paar richtige Grusel- und Schockmomente. Mara Dyers Leben hat ordentliche Gänsehautmomente zu bieten, die sich schon mit so manchem Horrorfilm vergleichen lassen.

Besonders gut gefallen hat mir auch der Aufbau der Geschichte. Die Kontinuität der Handlung bestimmt durch Maras zurückkehrende Erinnerungen und die sich langsam entwickelnde Beziehung zu Noah wird häufig vollkommen unerwartet, ohne Vorwarnung, durch ein unheimliches Ereignis unterbrochen, das dem Leser den Atem stocken lässt und die Spannung insgesamt hoch hält. Dieser flotte Wechsel aus ruhigeren Alltagspassagen, in denen sich eine glaubhafte Liebesgeschichte entfalten kann, den Alpträumen und Erinnerungen an die Unglücksnacht, welche die Beteiligten regelmäßig in einem neuen Licht erscheinen lassen, und den plötzlich auftretenden paranormalen Erscheinungen, die einen spannenden, aber auch vergleichsweise dezenten Fantasy-Einfluss darstellen, ist der Autorin fast durchgehend sehr gut gelungen. Nur im Mittelteil gab es ein paar kleinere Längen, die allerdings verzeihlich waren und mir wahrscheinlich auch nur dadurch aufgefallen sind, dass der Spannungsbogen ansonsten wirklich sehr hoch war.

Die Charaktere in diesem Roman zeichnen sich durch ihren Reichtum an verschiedenen Facetten aus. Die Ich-Erzählerin Mara ist ein Charakter, in den man sich leicht einfühlen kann. Sie hat eine schlagfertige Seite, unter der besonders Noah leiden muss, aber eben auch eine sehr verletzliche, und ist deutlich von den tödlichen Unglück ihrer Freunde, ihren Alpträumen, Visionen und den daraus resultierenden Ängsten geprägt. Ihre Familie, bestehend aus ihren Vater, einem Anwalt, der in Florida einen heiklen Fall übernommen hat, ihrer Mutter, einer Psychologin, und ihren beiden Brüdern Daniel und Josef, wird ebenfalls stark und sehr abwechslungsreich in die Geschichte eingebunden.

Noah ist der Frauenschwarm der Schule, Brite und ein sehr forscher Typ, der sein Interesse an Mara sehr offen, fast schon aufdringlich, zeigt. Obwohl zwischendurch auch immer wieder seine sehr liebenswerte, charmante Ader durchblitzt, bleibt Mara zu Beginn skeptisch. Noah gefällt ihr zwar, aber erfrischenderweise schafft es die Autorin auf den üblichen, Kitsch-überladenen Liebe-auf-den-ersten-Blick-Kram zu verzichten und straft den Leser nicht mit einer rosarot sehenden Protagonistin. Stattdessen präsentiert sie eine sich langsam entwickelnde, romantische Liebesgeschichte, welche die Fantasy-Elemente des Romans wundervoll ergänzt.

Auch sprachlich kann ‟Was geschah mit Mara Dyer?“ überzeugen. Für einen Debütroman kommt es nicht nur mit einem sehr ausgeglichen wirkenden, flüssigen und intensiv beschreibenden Stil daher, sondern begeistert auch mit einer schlüssigen Entwicklung der Handlung und weitestgehend auch mit einer zielorientierten Fokussierung, die Spannungsflauten und Längen vermeidet – nur auf einem vergleichsweise kurzen Stück im Mittelteil flachte die Geschichte in meinen Augen ein wenig ab, erholte sich allerdings schnell wieder und entschädigte mit einem an Spannung kaum zu überbietenden Finale.

Mein Fazit: ‟Was geschah mit Mara Dyer?“ ist ein Trilogie-Auftakt, der mich von der ersten Seite an in seinen Bann gezogen hat. Zwar ist das Buch nicht hundertprozentig perfekt, aber es kann kleine Schwächen durch wiederum sehr gelungene Abschnitte, große Gänsehautmomente und eine sehr romantische Liebesgeschichte mehr als ausgleichen. Nach einem großartigen Ende erwarte ich jetzt mit Spannung den zweiten Band. 5 Sterne