Rezension

Spannend, politisch, kompliziert - ziemlich perfekt!

Yellowface -

Yellowface
von Rebecca F. Kuang

Bewertet mit 5 Sternen

Die erfolgreiche Autorin Athena Liu stirbt vor Junes Augen und niemand außer June kennt Athenas bisher unveröffentlichtes Manuskript über chinesische Arbeiter während des Ersten Weltkriegs. Es ist viel zu gut, um nicht veröffentlicht zu werden und es zu überarbeiten fällt June viel leichter, als eine ganz neue Geschichte zu schreiben – und Junes eigene Bücher waren sowieso nie besonders beliebt. Aber da sie das Manuskript überarbeitet hat, ist es nun Junes Werk, und nicht mehr Athenas, oder?

Ich finde es sehr faszinierend, dass Rebecca F. Kuang bisher drei inhaltlich sehr unterschiedliche Projekte veröffentlicht hat, es aber jedes Mal geschafft hat, verschiedene Aspekte des Rassismus zu beleuchten und dabei auf eine spannende Art zu verpacken. Hier ist besonders kulturelle Aneignung ein Thema und ich fand es sehr interessant, Junes Gedanken und Rechtfertigungen zu den verschiedenen Vorwürfen zu sehen. Insgesamt gab es schon ein paar Punkte, bei denen ich auch mal fand, dass sie nicht unrecht hatte, aber gleichzeitig weiß man ja, dass ihre politische Meinung sich nur an ihrem persönlichen Vorteil orientiert, daher hat alles einen unangenehmen Beigeschmack. Natürlich ist sie in ihren eigenen Augen auch keine Rassistin, aber …

In einer Hinsicht war das Buch etwas anders als erwartet, denn June hat nicht wirklich viel getan, damit die Öffentlichkeit denkt, sie sei Chinesin. Zwar haben sie sich für ihren Künstlernamen entschieden, der wie ein asiatischer Nachname klingt, aber eigentlich ihr zweiter Vorname ist, aber darüber hinaus tut sie eigentlich nicht, um ihre Identität zu verschleiern. Wer sich nicht wirklich informiert, kann aber trotzdem annehmen, dass sie einen bestimmten ethnischen Hintergrund hat, was dann zu vielen komplizierten Situationen führt.

Interessant fand ich auch die Darstellung von Athena, auf deren Werk sich June nun ihre Karriere aufbaut. Natürlich rechtfertigt sich June innerlich für ihre Taten; sie sieht es nicht als Diebstahl, sondern redet sich schon ein, dass es zum größten Teil ihre Leistung ist. Trotzdem gehört es auch dazu, Athenas Fehler aufzuzeigen. Obwohl Athena hier das Opfer ist, vermitteln Junes Gedanken schon, dass Athena das auch verdient hätte, daher überzeugt June sich selbst, dass das alles irgendwie gerecht wäre, aber es ist und bleibt Diebstahl geistigen Eigentums.

Mir hat auch gefallen, wie gut moderne Themen eingearbeitet wurden, wie die Möglichkeit von Sensitivity Readern, um problematische Darstellungen anderer Kulturen zu vermeiden, und auch besonders, welche Rolle Social Media für Autoren spielt und wie wichtig es (für June) ist, dort Gesprächsthema zu bleiben.

Zum Ende hin war ich mir nicht ganz sicher, wo die Geschichte hinführen soll und war auch erst skeptisch, aber da war es dann wieder der Schreibstil, der mich überzeugen konnte, und dazu kamen noch ein paar letzte clevere Wendungen, die das Buch perfekt abgeschlossen haben.

Fazit
Insgesamt ist das Buch spannend durch Junes Geheimnis und durch die unberechenbaren Reaktionen der Öffentlichkeit, emotional mit jeder Menge Verleugnung und auch voller aktueller politischer Themen.