Rezension

Schwarze, historische Geschichten, atmosphärisch-gruselig, bizarr-humorvoll und kriminalistisch-spannend! 4 Zeitreisen ;-) mit Sogwirkung!

Gassengeflüster -

Gassengeflüster
von Albrecht Sommerfeldt

Bewertet mit 5 Sternen

In den letzten Sätzen steckt nach dem Gruseln mitunter -> die ganze Wahrheit und macht die Synapsen munter! ;-)

Mit „Gassengeflüster“ bietet uns Albrecht Sommerfeldt gleich 4 schwarze, historische Geschichten, die es in sich haben. Zart besaitet sollte man nicht sein, wenn man sie liest, aber man sollte sie lesen, denn sie bieten beste Unterhaltung, manchmal gruselig, zuweilen bizarr-humorvoll, durchaus auch kriminalistisch und zum Mitermitteln ;-), immer aber spannend und einer Zeitreise ähnelnd, von deren Inhalt ich nichts wiedergebe, damit sich jede Leserin und jeder Leser selbst und unvoreingenommen auf diese Reise(n) einlassen kann. Meine Eindrücke aber möchte ich sehr gerne schildern.

Zeit- und ortsgemäß ist die Ausdrucksweise der Protagonisten in der ersten Geschichte anfangs etwas gewöhnungsbedürftig ;-), aber sie passt hervorragend und schafft zusammen mit den Beschreibungen der Personen und Örtlichkeiten gleich die passende Atmosphäre für eine schwarze Erzählung, deren sprichwörtlichen Titel man ruhig wortwörtlich nehmen kann! Was anfangs zeitgemäße Realität ist, mit all der Brutalität, die damals geherrscht haben mag, das entwickelt sich im Laufe der Erzählung erst zu einer vermeintlichen Grusel- und Geistergeschichte, um dann mit einem schalkhaften Augenzwinkern und einer Überraschung zu enden. Klasse! 

Wer die Geschichten des Autors kennt, wird sich über die zweite Geschichte in diesem Buch wundern, denn sie überrascht, weil sie nicht von dunklen Gestalten in dunklen Gassen ;-) erzählt, sondern – weshalb ich den Inhalt kurz anreiße - einen schiffbrüchigen Naturwissenschaftler in Tagebuchform von seinen Erlebnissen berichten lässt. Wissenschaftlich-nüchtern, mit geschliffenen, meinen großen Gefallen ;-) findenden Worten, beschreibt dieser Schiffbrüchige die Tage und vielen Wochen, die er und seine Mit-Überlebenden auf einem wohl recht winzigen Eiland mitten im Nirgendwo verbringen. Was dort passiert, erinnert phasenweise an „10 kleine Negerlein“, so makaber wie gleichwohl unterhaltsam sind die teils erschütternden Geschehnisse. Wie der Autor die Einöde und das sich dort entwickelnde, tödliche Geflecht der Protagonisten beschreibt, wie er mich durch bizarr-humorvolle Schilderungen zugleich schaudern und lächeln lässt, so dass ich mich gleichermaßen erschrecke wie amüsiere, und wie er - zu Beginn noch fast unmerklich - den Protagonisten sukzessive eine unglaubliche Wandlung durchmachen lässt, das ist zum Schütteln, weil sehr geschickt be- und geschrieben, und gerade deswegen aller Ehren wert.

Auch die dritte Geschichte ist ganz nach meinem Geschmack, denn hier ist ein Wanderprediger neben seiner bekehrenden ;-) Eigenschaft auch und vor allem ermittelnd ;-) unterwegs. Ich liebe Geschichten, in denen ich nach dem Kennenlernen der Hauptfiguren und einem anfänglichen Konstrukt von Ereignissen mitermitteln kann. ;-) Und die Suche nach der Wahrheit hinter dieser geheimnisvollen und zunächst unerklärlichen Geschichte sowie die sprachlich köstlichen Dialoge zwischen dem Protagonisten und einer ihm ebenbürtigen Gegenspielerin stellen mich vor ein herrliches, nach und nach zu lösendes Rätsel und bieten mir unbeschreiblich gute Unterhaltung!

Für die vierte Erzählung brauche ich starke Nerven, denn ich schlage mich während der humanen ;-) Diebestour der sehr sympathischen Hauptfigur sofort auf deren Seite und rechne jeden Moment damit, dass (ihm) etwas passiert. Die groteske Szenerie, die sich im Laufe dieser Geschichte entspinnt, ist so spannend, undurchschaubar und wendungsreich, dass ich an der Seite der Hauptfigur in einen mäandernden Zwiespalt gerate, hin und her gerissen zwischen den vom Autor hier geschaffenen Charakteren, neben dem Protagonisten zwei dubios erscheinende Personen, die zwischen bedauernswert und irreführend, vertrauenswürdig und bedrohlich, glaubwürdig und gefährlich derart geschickt angelegt sind, dass ich die verbalen und optischen Hinweise und das Verhalten eben dieser Personen ständig abwäge und versucht bin, immer schneller zu lesen. Dass ich die Geschichte nach dem Finale noch für mich weiterdenken und mir vorstellen kann, wie die Zukunft für fast ;-) alle aussehen könnte, ist eine wunderbare Zugabe. Großartig!

Ich hoffe, dass ich mit dieser Rezension meine Begeisterung über die gelesenen und gefühlt sogar erlebten Geschichten habe zum Ausdruck bringen können, und empfehle dieses schaurig-schöne „Gassengeflüster“ aus ganzem Herzen!