Rezension

Kunst, Müll und ein verschwundenes Kind - nichts für Zartbesaitete

Das Nest -

Das Nest
von Katrine Engberg

Bewertet mit 4.5 Sternen

Kasper Skytte und sein Kollege Michael haben an ihrem Arbeitsplatz in Kopenhagens Müllverwertungsanlage noch nie den Notfallknopf gedrückt. Als aus dem Müll der laufenden Woche ein menschlicher Arm ragt und die Kriminalpolizei Ermittlungen aufnimmt, bringt das Kasper erheblich stärker aus dem Tritt als man nach einem Leichenfund erwartet. In seinem Leben als Prozessplaner und alleinerziehender Vater muss mehr verborgen sein, das ihn nun straucheln lässt. Parallel dazu meldet die Familie des prominenten Kunstauktionators Dreyer-Hoff ihren mittleren Sohn Oscar als vermisst und ein Lehrer, der die Kinder der Dreyer-Hoffs unterrichtete, wird tot aufgefunden. Die Ermittler schütteln zwar den Kopf über das sonderbare Verhältnis der Familie zu ihren drei Kindern, suchen jedoch lange vergeblich nach einem Zusammenhang zwischen den Geschäften des Kunsthauses, dem künstlerisch begabten Sohn und einer hinterlassenen rätselhaften Nachricht, die sich auf Oscar Wildes „Bildnis des Dorian Gray“ bezieht. Dass die Dreyer-Hoffs den sonderbaren Hausmeister der Kopenhagener Festung schon lange kennen, macht den Fall nicht einfacher.

Engbergs Leser verfolgen derweil, wie die Ermittlerin Anette Werner den Berufseinstieg nach der Elternzeit meistert und wie Jeppe Kørner eine Beziehung zu seiner Kollegin Sara samt pubertierenden Töchtern aufzubauen versucht. Ein wechselnder Focus auf interessante Nebenfiguren wie Kaspers Tochter Iben, die mit dem vermissten Oscar befreundet war, und Kunstexpertin Esther de Laurenti vermittelt Engbergs Lesern Details, die den Ermittlern noch unbekannt sind. Als eine Zeugin unter verdächtigen Umständen stirbt, die zuvor gerade von der Kripo befragt worden war, liegt vor Werner und Kørner ein verschlungenes Netz aus sich überschneidenden Grüppchen, aber längst keine Auflösung des Falls. Das Balancieren der Ermittler zwischen rein exzentrischen Personen und perversen Gewalttätern scheint ausgerechnet der Figur am schwersten zu fallen, der ich dieses Problem am wenigsten zugetraut hätte. Da ich Werner und Kørner nach dem ersten Band aus den Augen verloren hatte, bin ich mit dem Beziehungsstatus von Jeppe leicht ins Schleudern geraten, aber das fehlende Stück Privatleben lässt sich sicher noch nachholen.

Vor der ansprechenden Kulisse des Kopenhagener Hafens und düsteren Katakomben der Festung entwickelt Katrine Engberg einen komplizierten Fall mit zahlreichen Nebenschauplätzen, der sich erst lösen lässt, als geklärt ist, wer unbedingt Geld braucht und welche der Beteiligten genug zu verbergen hätten, um dafür Zeugen zu töten. Zartbesaiteten Gemütern empfehle ich den Roman eher nicht, alle anderen können sich auf den angekündigten 5. Band freuen.