Rezension

Hochinteressante Thematik, stilistisch nicht meins

Die Reisenden der Nacht -

Die Reisenden der Nacht
von Armando Lucas Correa

Bewertet mit 3 Sternen

Zu diesem Buch fällt es mir wirklich schwer, eine Rezension zu schreiben, weil es nicht klar zu beurteilen ist, es gibt einiges, das ich gut, und einiges, das ich schlecht finde.
Generell beschreibe ich in meinen Rezensionen nicht den Inhalt des Buches, die Personen oder die einzelnen Handlungsstränge, da dies jeder objektiv im Klappentext und auf den Websites der Verlage und Buchhandlungen nachlesen kann und dies  für mich nichts mit einer Beurteilung des Buches zu tun hat.

Wunderschön und zum Thema passend finde ich auch das Cover und den Titel - romantisch, dunkel, geheimnisvoll, zwischen bedrohlich und Schutz gebend....
Großartig finde ich das Thema, die Geschichte der vier bzw. fünf Protagonistinnen,  heftige Geschehnisse über vier Generationen hinweg, die kaum zu überbieten sind an gesellschaftlichen, politischen und persönlichen Dramen. Vielleicht sind es zu viele für ein Buch. Vielleicht hätte man vier Bände daraus machen sollen, oder zumindest zwei.
Vielleicht hätte man es aber auch einfach anders angehen sollen.
Ich glaube, dass das Buch sehr gut recherchiert ist, was die historischen Hintergründe betrifft. Dafür sprechen auch die zahlreichen Quellenangaben im Anhang.
Aber ich dachte, der Autor wollte die Schicksale der Frauen erzählen, die zum größten Teil durch die politischen Ereignisse um sie herum zu drastischen Handlungen gezwungen werden. Diese Frauen bleiben jedoch für den Leser seltsam distanziert. Das erste Drittel empfand ich noch als sehr lebendig, die eingeführten Charaktere wurden deutlich sichtbar und fühlbar.
Etwa ab dem zweiten Drittel aber wird viel berichtet, teilweise zu viel und in zu vielen Details, die gar nicht wichtig sind, während emotionale Bewegungen zu kurz kommen oder manche Fakten zu verwirrend eingebettet sind. Ich konnte nicht „mitfühlen“, nicht mit erleben. Manche Passagen lesen sich wie eine Reportage. Immer wieder stolpere ich über den Schreibgrundsatz „show, not tell“, der in diesem Buch einfach nicht beherzigt wird.
Dabei benutzt der Autor durchaus eine interessante Sprache ohne Schnörkel und Klischees. Aber Spannungsbögen werden nicht gut gebaut.
Das Buch ist geprägt von vielen Zeitsprüngen – vor und zurück immer wieder – und Wechseln der Erzählperspektiven. Das könnte Spannung erzeugen – aber es verwirrt eher und bremst den Lesefluss, so wie es gemacht ist.
Immer wieder kommt die Frage des Verzeihens und Vergessens, angerissen, angedacht, teilweise versuchsweise beantwortet. Ein wichtiges Thema, aber auch hier wirkt die Umsetzung auf mich zerfasert.
Alles in allem ist mein – natürlich subjektives - Fazit: tolle Ideen, gut recherchiert, gute Sprache, aber als Roman nicht wirklich mitreißend. Leider.