Rezension

Es könnte Kannibalen geben

Mr. Parnassus' Heim für magisch Begabte -

Mr. Parnassus' Heim für magisch Begabte
von Tj Klune

Bewertet mit 4 Sternen

Linus Baker ist ein vorbildlicher Beamter. Seit Jahrzehnten arbeitet er in der Sonderabteilung des Jugendamtes, die für das Wohlergehen magisch begabter Kinder und Jugendlicher zuständig ist. Nie war er auch nur einen Tag krank, und das Regelwerk der Behörde ist seine Gute-Nacht-Lektüre. Linus' eintöniges Dasein ändert sich schlagartig, als er auf eine geheime Mission geschickt wird. Er soll das Waisenhaus eines gewissen Mr. Parnassus', das sich auf einer abgelegenen Insel befindet, genauer unter die Lupe nehmen. Kaum dort angekommen, stellt Linus fest, dass Mr. Parnassus' Schützlinge eher etwas speziell sind – einer von ihnen ist möglicherweise sogar der Sohn des Teufels! In diesem Heim kommt Linus mit seinem Regelwerk und seiner Vorliebe für Vorschriften nicht weit, das merkt er schnell. Eher widerwillig lässt er sich auf dieses magische Abenteuer ein, das ihn auf der Insel erwartet, und erfährt dabei die größte Überraschung seines Lebens ... 
(Klappentext: Penguin Random House)

Letztes Jahr sind an allen Ecken und Enden begeisterte Stimmen zu „Mr. Parnassus‘ Heim für magisch Begabte“ aufgetaucht. Einige Zeit lang habe ich das Buch tapfer ignoriert, weil es nicht in mein bevorzugtes Beuteschema fällt. Als es Anfang des Jahres von vielen als Highlight tituliert wurde, war es so weit, und ich musste persönlich dem Heim für magisch Begabte einen Besuch abstatten.

Obwohl das Buch zum Fantasygenre zählt, ist die Welt darin nicht viel anders als unsere. Der einzige fantastische Unterschied ist, dass es magische Wesen gibt. Diese sind offiziell anerkannt und werden gesellschaftlich arg ausgegrenzt. Die Menschen fürchten sich vor ihnen und je mehr sie am Rand der Gesellschaft stehen, umso größer ist die Angst, weil sie nicht abgebaut werden kann. Damit setzt sich eine Ausgrenzungsspirale in Gang, aus der schwierig herauszukommen ist.

Magische Wesen können ebenso Waisen sein und deshalb gibt es Heime, die sich auf diese Kinder spezialisieren. Es gibt sogar eine eigene Behörde, die sich ausschließlich mit dem Verbleib und dem Status magischer Wesen beschäftigt. Genau hier arbeitet Linus Baker, der auf ein ganz besonderes Waisenhaus angesetzt wird.

Hauptfigur Linus Baker ist ein korrekter Typ. Er zählt zu jenen Menschen, die einen Stock im Hintern haben, was aber weniger charakterlich bedingt ist. Meiner Einschätzung nach hat sich dieses Verhalten aus einem festgefahrenen grauen Alltagstrott ohne bunte Sprenkel ergeben. Denn Linus ist ein sympathischer, umgänglicher Typ, der richtig einsam ist.

Linus wird auf die abgelegene Insel zu diesem speziellen Heim geschickt, wo er dem Sohn des Teufels in die Augen blickt. Außerdem sind allerhand weitere mysteriöse Kinder unterwegs und er weiß nicht so richtig, was er vom Heimleiter, Mr. Parnassus, hält.

Er lernt das Heim und seine Bewohner:innen kennen. Dabei lässt er die Geschichten der Kinder und des Heimleiters an sich ran, nimmt an den Abläufen teil und merkt bald, dass er sich wohlzufühlen beginnt.

Die Handlung hat mich stark an einen Disneyfilm erinnert, der Zusammenhalt, Familiengefühl und gegenseitigen Respekt betont. Es hat nur mehr gefehlt, dass Linus Baker und Mr. Parnassus im Duett ein Liedchen anstimmen. Der Ablauf ist vorhersehbar, weil er schon oft erzählt wurde. Dennoch ist der bezaubernde facettenreiche Rahmen neu, der sie in einen farbenfrohen Wohlfühlroman bettet.  

Meiner Meinung nach ist es ein wundervoller Roman, durchflutet von zwischenmenschlicher Magie und einem Plädoyer für eine bunte Welt gefüllt mit Toleranz. 

Ich hatte während des Hörens meistens ein Schmunzeln im Gesicht, weil es herzerwärmend erzählt ist. Betonen möchte ich, dass es Kannibalen geben könnte, vor denen man sich aber nicht fürchten muss.

Alles in allem ist „Mr. Parnassus‘ Heim für magisch Begabte“ ein farbenfroher Roman voll bezaubernder Figuren und einer gefühlvollen Handlung, der zum Wohlfühlen einlädt.