Rezension

Eine Hommage an jene, die nicht nach Hitlers Pfeife tanzten

Die Edelweißpiratin -

Die Edelweißpiratin
von Michaela Küpper

Bewertet mit 5 Sternen

In ihrem neuen Buch wendet sich Michaela Küpper einer Personengruppe zu, über die nicht allzu viel bekannt ist: die sogenannten „Edelweißpiraten“, eine Gruppe von jungen Männern und Frauen, die nicht nach Hitlers Pfeife tanzen wollen.

 

Die Autorin nimmt uns auf eine Zeitreise in das Jahr 1933 mit. Hitler ist seit Ende Jänner Reichskanzler und sogleich beginnen die Repressalien gegen Juden und politisch andergesinnte wie Sozialisten und Kommunisten. Die Jugendlichen zwischen 14 und 17 sollen in der Hitlerjugend (HJ) zu willigen Helfern des Regimes geformt werden. Dagegen lehnen sich zahlreiche Jugendgruppen wie eben die „Edelweißpiraten“ oder die „Swing-Jugend“ auf. Sie wollen weiter eigenständig denken und agieren.

 

Von einem dieser unerschrockenen Mitglieder handelt dieses Buch - Gertrud „Mucki“ Kühlem. Muckis Eltern sind Gertrud, eine Apothekerin, und Peter Kühlem, der Kommunist. Sie wächst in einem offenen Elternhaus auf und hat schon früh gelernt, zu ihrer Meinung zu stehen.

 

Als der Vater im Sommer 1933 verhaftet und zuerst in das „braune Haus“ gebracht wird, um 1942 im KZ Esterwegen ermordet zu werden, lässt man Mucki und ihre Mutter anfangs in Ruhe. Je restriktiver die Gestapo mit andersdenkenden umgeht, desto entschlossener wird Mucki. Sie schließt sich den Kölner „Edelweißpiraten“ an. Zunächst nur, um den ungeliebten Nachmittagen beim BDM auszukommen. Je länger das Regime die Menschen unterdrückt, desto gewagter die Aktionen von Mucki und ihren Kollegen. Sie beschreibt mit Schulkreide Zäune und Hauswände.

 

Schließlich wird sie 1942 verhaftet, als sie Flugblätter von der Kuppel des Kölner Hauptbahnhof regnen lässt. Sie wird in das Gefängnis Brauweiler eingeliefert, mehrfach gefoltert, in Einzelhaft gehalten und kommt nur durch ein Versehen frei.

 

Mucki und ihrer Mutter gelingt die Flucht aus Köln. In Sigmaringen finden sie Unterschlupf.

 

Meine Meinung:

 

Michaela Küpper hat die Lebensgeschichte von Gertrud Kühlem (verehelichte Koch) penibel recherchiert und sehr gut erzählt. So können sich Leser, die noch nie von Widerstandsgruppen abseits von Stauffenberg & Co gehört haben, ein Bild davon machen, dass es sehr wohl Widerstand gegen das Nazi-Regime gab.

Alles musste im Geheimen ablaufen, niemand konnte vertraut werden, denn das Spitzelwesen war äußerst perfide angelegt.

 

Sehr gut sind auch die Lebensumstände der Zeit dargestellt. Zunächst bleibt vieles beim Alten, dann als die Mutter ihre Arbeit in der Apotheke verliert, müssen die beiden Frauen aus der schönen, großen Wohnung ausziehen und in eine kleine Dachkammer umziehen. Die bedrohlichen Razzien der Gestapo, bei denen alles kurz und klein geschlagen wurde, machen klar, dass weder Recht noch Ordnung herrschen, sondern nur das, was die Schlägertrupps dafür halten.

 

Dieser historische Roman ist auch deswegen bemerkenswert, da es nur ganz wenige Frauen zu einiger Bekanntheit geschafft haben.

 

Mit viel Mühe und Not überleben Mutter und Tochter Kühlem die NS-Herrschaft in Sigmaringen. Als die französische Armee Sigmaringen erreicht, wird sie für einige Zeit Bürgermeisterin. Gertrud „Mucki“ Koch stirbt hochbetagt im Juni 2016.

 

Michaela Küpper hat, wie schon in ihrem anderen historischen Roman „Der Kinderzug“ Fakten und Fiktion sehr gut verknüpft.

 

Fazit:

 

Gertrud „Mucki“ Koch und ihren Weggefährten kann nicht genug Tribut gezollt werden, dass sie sich dem NS-Regime entgegengestellt haben. Hätte es doch mehr solcher Menschen mit Zivilcourage gegeben! Gerne gebe ich dieser Hommage an die „Edelweißpiratin“ 5 Sterne.