Rezension

Ein starkes Buch!

Neringa - Stefan Moster

Neringa
von Stefan Moster

Ein tolles und tiefsinniges Buch, das zum Nachdenken anregt und noch länger nachklingt...

„Neringa“ - ein ungewöhnlicher Titel und ein außergewöhnliches Buch! Ich war sehr gespannt, was dieser Roman inhaltlich zu bieten hätte und wurde in keinster Weise enttäuscht! Stefan Moster, den manche vielleicht schon durch seine Übersetzungen kennen, ist es meiner Meinung nach gelungen, eine sehr bewegende und nachdenklich stimmende Geschichte zu konstruieren.
Der Protagonist, von dem wir nicht einmal einen Namen erfahren, durchlebt in „Neringa“ eine Art Selbstfindung. Es geht um Identitäten, Rollenverständnis, Gefühle und Selbstreflektion – so habe ich es verstanden. Unser Hauptprotagonist wird dabei auf eine Reise geschickt, muss verschiedenste Hürden nehmen und findet am Ende Antworten, mit denen er wohl weniger gerechnet hätte! Ebenso verhält es sich mit dem Leser. Sprachlich gefiel mir der Roman dabei gut. Man merkt durchgängig, dass der Autor es gewohnt ist, mit „Sprache zu arbeiten“. Schön sind auch immer wieder die eingebundenen Metaphern. Die Bildsprache spielt in „Neringa“ eine tragende Rolle, ist quasi durchgängig das „Fundament“! ;-) Auch zwischen den Zeilen verstecken sich viele kleine Botschaften, weshalb man sich für das Buch wohl auch etwas Ruhe gönnen sollte. Obwohl es im ganzen Roman sehr „ruhig“ zugeht, gibt es indirekt doch sehr spannungsgeladene Momente, in denen man dem Protagonisten auch gleichzeitig seine innere Anspannung und Zerrissenheit anmerkt. Der Protagonist ist mittleren Alters und man könnte meinen, er durchlebe eine „Midlife-Crisis“. Die jüngeren Kollegen befinden sich auf der Überholspur, der Ton ist rau, die Ellenbogen spitz. Er muss kämpfen, um im Arbeitsleben über Wasser zu bleiben. Hier beginnt eigentlich die Misere des Hauptprotagonisten. Die Fragen, die zu seinem fast schon inhaltslosem Leben aufkommen, dann eine Postkarte seines Großvaters und die Antworten zu allem, die ihm fehlen. Anhand des Lebens seines Großvaters und der sonstigen Familienstrukturen beginnt der Protagonist nachzuforschen. Er erzählt Lebensgeschichten, deren Wirklichkeit in Frage gestellt werden müssen und die sich manchmal als Illusion erweisen. Aufgeteilt ist alles in verschiedene Erzähl- und Zeitstränge, die aber immer eng beieinander bleiben und inhaltlich stark miteinander verwoben sind. Diese Erzählweise verdeutlicht nur noch mehr, wie „leer“ und stumpf der Protagonist zu Anfang der Geschichte noch ist. Aber durch die immer neuen Offenbarungen innerhalb der Geschichte wird der Protagonist von Seite zu Seite sympathischer, fast menschlicher. Man kann sein Verhalten immer besser nachvollziehen. Die große Wende im Buch ergibt sich eigentlich damit, als der Protagonist eine viel jüngere Frau kennenlernt. Sie ist ein wichtiges Element, wirkt wie ein Gegenpol zu den sonstigen, eher wirren Strukturen des Protagonisten. Aber er muss kämpfen. Um seine neugewonnene Identität, seine Standpunkte im Leben und um seine Liebe. Ob das alles dem Protagonisten glückt? Das Buch nimmt den Leser definitiv mit auf eine spannende Reise. Es stimmt nachdenklich und wirkt auch manches mal in sich wirr. Aber letztlich ist es stimmig und, das sei verraten, es kommt alles noch zu einem (gewissen) guten Ende. Mein Tipp: Die Geschichte mit Blick auf den Hauptprotagonisten einfach erst einmal auf sich wirken lassen und die unkonventionelleren Inhalte und „Tabubrüche“ vielleicht erst später bewerten! … Denn erstens kommt es anders, zweitens als man denkt! :D Insofern: Tolles Buch und klare Leseempfehlung! 5 Sterne.