Rezension

Ein phantastische, märchenhafte und ziemlich überraschende Reise durch Raum und Zeit

Annemone Apfelstroh -

Annemone Apfelstroh
von Wolfram Hänel

Bewertet mit 5 Sternen

Annemone Apfelstroh wohnt mit ihrem Vater in einem gemütlichen kleinen Haus mit grünen Fensterläden und roter Tür zwischen zwei Hügeln in einer Welt, in der das Wünschen wunderbar funktioniert. Eines Tages dreht Annemone die Töpferscheibe ihres Vaters und danach ist nichts mehr wie vorher. Annemone findet sich plötzlich in einer ganz anderen Zeit wieder und hat keine Ahnung, wie sie wieder dahin zurück kommen soll, wo sie hergekommen ist.

 

„Annemone Apfelstroh“ ist kein alltägliche Geschichte, es ist eine Staffelgeschichte. Autorin Karin Müller bat neun ihrer Kollegen und Kolleginnen ihren Text fortzusetzen. Die beteiligten Autorinnen und Autoren haben jeweils zwei Kapitel zu den insgesamt 20 Kapiteln beigetragen, wussten dabei aber selbst nicht, wie sich ihre Geschichte weiterentwickeln würde, schließlich schrieb ja jemand anderes weiter.  
Alle Mitwirkenden haben ihren eigenen, individuellen Sprachstil, die Abschnitte sind gut verständlich, klar und kindgemäß formuliert. Lediglich das Vorwort liest sich etwas holprig. Gut gefallen hat mir, dass die Leser immer wieder angeregt werden, sich über Sprache, besondere Wörter und ihre Bedeutung Gedanken zu machen. Annemone sind manche modernen Wörter genauso unbekannt wie bestimmte technische Neuerungen (von einem Handy hat sie beispielsweise noch nie gehört). Gleichzeitig prägt sie aber auch neue Begriffe wie das treffende Wort „Vorglück“, so nennt sie den Zustand, der noch vor dem Erreichen des Glücks kommt.  
Ganz besonders hervorzuheben ist die Gestaltung des Buchs. Illustratorin Florentine Prechtel hat zur Geschichte wunderschöne, farbenprächtige, aussagekräftige und naiv-märchenhafte Bilder gemalt, die meinen Kindern und mir beim Lesen große Freude gemacht haben. Ein echter Augenschmaus dieses Buch!  
Jedem Autor wurde eine eigene Schriftart zugeteilt. Eine prima Idee, die erstens nach außen deutlich zeigt, dass verschiedene Köpfe hinter der Geschichte stecken und zweitens den Fokus auf Schriftarten legt, meinem siebenjährigen Sohn war beispielsweise gar nicht bewusst, dass Schriftarten so unterschiedlich aussehen können. Insgesamt ist die Schrift etwas größer gedruckt und hat einen etwas erweiterten Zeilenabstand. Kinder ab acht, neun Jahren sollten keine Schwierigkeiten haben, die Geschichte selbstständig zu erfassen. Zum Vorlesen eignet sich das Buch auch schon für Jüngere, da die Handlung aber aufgrund der Zeitreisen etwas komplexer und mitunter verwirrend ist, werden kleinere Zuhörer nicht jedes einzelne Detail vollständig nachvollziehen können.

 

Einige besondere Figuren spielen in der Geschichte eine Rolle. Da ist zunächst Annemone Apfelstroh, die -sehr neugierig und wissbegierig- gerne den Dingen auf den Grund geht. Der blauhaarige Finn stellt schon äußerlich einen Gegenpol zu Annemone dar, er kommt aus der modernen Welt, spricht nicht nur eine andere Sprache, er hat auch eine andere Perspektive auf die Dinge. Ungewöhnlich sind auch die Auftritte einer ein- bis zweihörnigen Ziege, eines  sehr dicken Katers und eines pausenlos plapperndenden Paradiesvogels. Langweilig wird es bei diesen bunten, teilweise recht undurchsichtigen Figuren nie.

 

Ob Annemone wieder zu ihrem alten Leben zurückkehren kann? Ihre Reise durch Raum und Zeit ist ein besondere, die mit vielen herausfordernden Rätseln und merkwürdigen Geheimnissen aufwartet. „Ein Abenteuer nach dem anderen“ und eine Überraschung folgt auf die nächste. Wer es magisch, phantastisch, humorvoll und märchenhaft mag, liegt mit Annemone Apfelstroh absolut richtig. Für meine Mitleser und mich war das Projekt „Staffelgeschichte“ definitiv erfolgreich. Das Ergebnis kann sich auch aufgrund der rundum gelungenen äußeren Gestaltung absolut sehen und lesen lassen. Wir hoffen sehr, dass die Geschichte nicht das letzte Projekt dieser Art war.