Rezension

Authentisch und tief berührend

Hier könnte ich zur Welt kommen - Marjorie Celona

Hier könnte ich zur Welt kommen
von Marjorie Celona

Bewertet mit 5 Sternen

Inhalt:

Vancouver Island, ein kühler Morgen im August, früh um fünf: Eine schmale junge Frau im groben Arbeitsoverall legt ein winziges Bündel auf einer Türschwelle ab und eilt davon. Das Bündel ist ein neugeborenes Mädchen, eingewickelt in ein graues Sweatshirt, ein Schweizer Messer zu ihren Füßen als einzige Erinnerung an ihre Mutter. Shannon findet schließlich bei der warmherzigen Miranda und ihrer Tochter Lydia-Rose ein Zuhause. Doch sie fühlt sich dort stets wie eine Fremde – von wem hat sie den blonden Lockenbusch auf dem Kopf, woher die kleine Statur? Die Frage danach, warum sie ist, wie sie ist, und die drängende Sehnsucht, ihre Mutter zu finden, lassen sie nicht los, und so macht sie sich mit sechzehn auf die Suche nach der Unbekannten im Overall, das Schweizer Messer in der Tasche. Ihr Weg führt sie zu einem Ort in den Urwäldern von Vancouver Island, deren Kronen sich mächtig und uralt wie ein Gewölbe über den Menschen aufspannen, ihnen Geborgenheit und Schutz geben. Was Shannon dort findet, ist eine ergreifende Geschichte von wilden Herzen, beschädigten Helden und von leisem Schmerz. Ein Mädchen auf der Suche nach ihrer Herkunft, nach dem, was war. Eine Mutter, die das Vergangene vergessen will. Ein bewegendes Debüt, das freilegt, was Worte wie Identität, Familie und Zuhause wirklich bedeuten.

 

Die Autorin:

Marjorie Celona wuchs auf Vancouver Island auf und lebt in Cincinnati, wo sie an der Universität lehrt. 
Sie studierte am Iowa Writer’s Workshop, ihre Kurzgeschichten erschienen in verschiedenen Magazinen.

 

Rezension:

Zum Welttag des Buches ermöglichte mir der Insel Verlag dieses Buch zu verlosen. Mit einem lachenden und weinenden Auge gab ich das Buch an die glückliche Gewinnerin weiter. Seit dieser Zeit stand es bis vor kurzem noch immer auf meiner Wunschliste. Ich möchte dem Insel Verlag ein großes Dankeschön aussprechen, dass das Buch nun doch noch den Weg zu mir gefunden hat.
Wie wichtig ist es zu wissen, woher man kommt, wo die eigenen Wurzeln liegen? Wie beeinflusst dieses Wissen bzw. Nichtwissen unser Leben?
Shannon ist ein Findelkind. In Rückblenden begleiten wir sie auf ihrem steinigen Weg von einer Pflegefamilie zur nächsten und dürfen an ihren Gedanken und Gefühlen teilhaben. Hier wird noch einmal deutlich, wie viele Erinnerungen bereits kleine Kinder verarbeiten und speichern, aber auch zum Selbstschutz verdrängen oder verändern können. So wie Shannon träumen viele Pflegekinder von einer heilen eigenen Familie und erleben leider oft ihren persönlichen Alptraum. Mit viel Liebe und Hoffnungen aufgenommen und verwöhnt erlebt sie ihre ersten Jahre. Doch als Probleme auftauchen, wird sie weitergereicht wie ein lästiges Haustier, das man jederzeit wieder abgeben kann. Spätestens an diesem Punkt wird der Unterscheid zwischen einem eigenen und einem angenommenen Kind deutlich. Die Hemmschwelle, sich von einem "fremden" Kind zu trennen ist sehr viel geringer und leichter zu Händeln. Doch zum Glück gibt es auch andere Beispiele.
Bei Miranda und ihrer Tochter Lydia gelangt Shannon in einen sicheren Hafen. Sie wird geliebt, auch wenn sie sich noch Jahre später selbst als eine Außenseiterin sieht. Sicher, nicht alles ist optimal und ihre Pflegemutter ist nicht reich, doch Miranda versucht für Shannon und die eigene Tochter ein sicheres warmes Heim zu schaffen. Dabei verzichtet sie selbst auf Annehmlichkeiten. Aber auch für Lydia ist es nicht immer einfach, die Liebe ihrer Mutter mit einem fremden Mädchen teilen zu müssen. Majorie Celona lässt uns die einzelnen Situationen aus verschiedenen Perspektiven betrachten und vermittelt so ein besseres Verständnis für ihre Protagonisten.
In einem parallelen Erzählstrang erfahren wir mehr über Shannons Mutter Yula und die Vorgeschichte, die dazu führte, dass aus einem kleinen Baby mit einer Familie, ein Findelkind wurde. Meine Gefühle gegenüber Yula sind sehr gemischt. Dennoch ist ihre Tat zum Wohle ihres Kindes bewundernswert und kostete enorme Kraft. Selbst wenn man davon ausgeht, dass dies nicht ganz selbstlos geschah.
Als Shannon und Yula aufeinander treffen, ist alles anders als erwartet. Die Gefühle bleiben eher verhalten. Manchmal müssen wir sehen und erleben, wie das eigene Leben hätte anders verlaufen können, um den Wert dessen schätzen zu können, was wir besitzen.
 

Fazit:

"Hier könnte ich zur Welt kommen" ist ein unheimlich berührendes und tiefsinniges Buch über die Suche nach den eigenen Wurzeln, der Vergangenheit und einer Perspektive für die Zukunft. Es hat mich noch lange nach seinem Ende beschäftigt und einen bleibenden Eindruck hinterlassen.