Rezension

Außergewöhnlicher Kriminalroman mit einer liebenswerten Ermittlerin

Der tödliche Tanz des Monsieur Bernard - Marie Pellissier

Der tödliche Tanz des Monsieur Bernard
von Marie Pellissier

Bewertet mit 5 Sternen

 Guillaume Bernard, der Ballettdirektor der Pariser Oper wird tot am Fuße einer Treppe gefunden. Zufällig ist die Gardienne Lucie Ferreira vor Ort, die an diesem Tag in der Oper ausgeholfen hat. Sie kannte den Toten gut, denn er wohnte in dem Haus, das Lucie betreut. Ist Guillaumes Tod ein Unfall oder steckt mehr dahinter? Nicht nur Kommissar Legrand nimmt Ermittlungen auf, auch Lucie kann es nicht lassen, selbst Detektiv zu spielen.

Dies ist bereits der zweite Band mit der pfiffigen Pariser Hausmeisterin Lucie. Lucie betreut schon seit Jahrzehnten das Haus an der Place de Voges in Paris und kennt die Bewohner gut. Mir gefällt es, wie man als Leser an ihrem Tagesablauf und ihren Gedankengängen teilnehmen kann, während sie ihre alltäglichen Verrichtungen erledigt, hat sie viel Zeit zum Nachdenken. Im Grunde weiß man lange Zeit nicht einmal, ob überhaupt ein Kriminalfall vorliegt, trotzdem – und trotzdem macht man sich auch als Leser Gedanken, wer als Täter in Frage käme, ein Motiv oder die Gelegenheit hätte.

Kommissar Legrand erinnerte mich sehr schnell an Inspektor Lestrade aus den Sherlock-Holmes-Geschichten, eher mittelmäßig intelligent, wenig kompetent und auf andere angewiesen, die für ihn die Fälle lösen. Möglich, dass das gerade in diesem Band so wirkt, denn er wird durch bestimmte Umstände sehr abgelenkt. Für mich bringt Legrand allerdings auch eine Menge Humor mit ins Spiel, bei seinen Auftritten musste ich regelmäßig kichern.

Sehr gut dargestellt hat die Autorin die Pariser Ballettwelt. Das fängt bei der Beschreibung des Opernhauses an, man meint förmlich selbst durch die Gänge zu laufen, geht bei der wunderbaren Beschreibung einzelner Tanzdarbietungen weiter, die das Kopfkino am Laufen halten, und führt zu einer interessanten Darstellung der internen Verhältnisse des Balletts. Die einzelnen Charaktere sind sehr lebendig gezeichnet. Auch außerhalb des Opernhauses, speziell im Haus an der Place de Voges trifft man als Leser auf herrliche Typen, wie Monsieur Rosenberg, den Komponisten, der Lucie schon mal mitten in der Nacht aus dem Bett ruft, oder Madame Richard, deren frisch gewaschene Wäsche immer noch so muffig riecht, dass Lucie sie vor dem Bügeln noch einmal selbst in die Waschmaschine steckt.

Das Buch enthält eine farbige Karte, auf der man Lucies oder Legrands Wege nachverfolgen kann, die ich aber tatsächlich nicht genutzt habe. Schön finde ich die Idee dennoch. Auch das Personenverzeichnis am Ende ist nützlich und verrät vor allem nicht zu viel.

Der Roman ist ein eher geruhsamer Kriminalroman, der erst im letzten Viertel spannend wird, aber gerade das hat mir gefallen. Ich mochte es, über Lucie, Legrand und die anderen Charaktere zu lesen, durch Paris und vor allem durch das Opernhaus zu gehen und mir Gedanken zu machen, was wohl tatsächlich geschehen war. Immer wieder eingestreute Andeutungen halten zusätzlich bei der Stange. Dass auch Lucies Privatleben, die ja immerhin eine Privatperson ist, eine größere Rolle spielt, macht den Roman richtig rund. Es ist kein ganz typischer, aber ein außergewöhnlicher Kriminalroman.

Ich habe die Lektüre sehr genossen, mir schon den Vorgängerband bestellt und hoffe auf weitere Romane mit Lucie und Legrand. Absolute Leseempfehlung!