Rezension

Zwei Frauen in Action!

Tage wie Salz und Zucker, 5 Audio-CDs - Shari Shattuck

Tage wie Salz und Zucker, 5 Audio-CDs
von Shari Shattuck

Bewertet mit 3.5 Sternen

Dieses Hörbuch habe ich zum Geburtstag von einer blinden Freundin geschenkt bekommen. Daher war ich mir ziemlich sicher, dass es sich bei "Tage wie Salz und Zucker" nicht um eine Klischee Blinden Geschichte handeln würde, deren einziger Inhalt darin besteht, zu erzählen, wie Blinde ihren Alltag gestalten, (was für Menschen, die nichts mit Blinden oder Sehbehinderten am Hut haben durchaus interessant sein könnte). Von daher war ich gespannt, was mich erwarten würde. 

Inhaltlich bin ich wieder einmal zwiegespalten. Die Grundidee, der schüchternen Ellen eine Freundin zur Seite zu stellen, finde ich wirklich schön. Ellen und Temerity könnten nicht unterschiedlicher sein. Während Ellen eher introvertiert, also in sich gekehrt ist, spiegelt ihr Temerity das pure Gegenteil. Sie möchte etwas erleben und sucht geradezu das große Abenteuer. Zudem ist sie alles andere als kontaktscheu. 

Sehr gut beschrieben wird, wie sich zwischen den beiden unterschiedlichen Frauen eine Freundschaft entwickelt. Die Blindheit ist hier mehr "Mittel zum Zweck". Hätte Temerity gesehen, wäre sie wahrscheinlich nicht neben Ellen gelandet. Shari Shattuck zeigt hier zwei positive Seiten des "Blind seins" auf: Temerity lässt sich nicht vom äußeren Erscheinungsbild der Menschen ablenken und lernt durch ihre Blindheit allerhand Leute kennen. Folglich sorgt die Behinderung also für Begegnung. Schön finde ich auch, dass die Blindheit nicht im Vordergrund der Geschichte steht, sondern Fragen nebenher geklärt werden. 

Nun kommen wir zu den negativen Aspekten der Geschichte: "Tage wie Salz und Zucker" lebt von den Geschichten der Anderen. Temerity und Ellen machen es sich zur Aufgabe in Ellens Nachbarschaft mitmischen zu wollen. Die Handlung beginnt also mit den Beobachtungen der Nachbarn und endet als alle Handlungsstränge aufgesponnen sind. Nebenbei lernen sich Ellen und Temerity besser kennen und bauen so ihre Freundschaft auf. Ich hätte gern mehr Interaktion zwischen den beiden Charakteren erlebt. Natürlich erleben die beiden allerhand Abenteuerliches, allerdings baut das auf den Geschichten von Ellens Nachbarn auf. Mir hätte es besser gefallen, wenn beide "die Auslöser" für spannende Geschichten gewesen wären. 

In Punkt zwei geht es um die Entwicklung von Ellen. Bisher lebte sie mehr für sich und war froh für den Rest der Welt unsichtbar zu sein. Als sie plötzlich feststellt, doch gesehen zu werden, lernt sie das Leben auch von anderen Seiten kennen. Zum einen hat mir der Aspekt sehr gut gefallen, weil sie so annähernd beginnt zu leben. Allerdings wird sie zunehmend in die Rolle "des schönen Schwans" hineingedrängt. Das erinnert mich an den "Lisa Plenske"- Effekt, wo aus dem Mauerblümchen zum Schluss die Prinzessin wird, obwohl eine Veränderung der äußeren Erscheinung gar nicht immer notwendig ist.  Einerseits wird hier transportiert, dass der Charakter mehr zählt, als das äußere Erscheinungsbild, andererseits bleibt Shattuck dieser Linie gerade zum Schluss hin nicht treu. 

Was die Handlungsstränge der Geschichte betrifft, waren diese zwar unterhaltsam aber auch sehr einfach gehalten. Dennoch war die Geschichte lebendig geschrieben, was dafür sorgte, dass ich sie - trotz Mängel - sehr gerne gehört habe.

Gelesen wird der Roman übrigens von Muriel Baumeister, die die Geschichte wunderbar untermalt und beide Charakter sehr schön darstellt. Gerade die Umsetzung der Dialoge hat mich hier und da sehr unterhalten. 

Der Schreibstil der Geschichte gefiel mir das Aufzeigen der Gegensätze von Temirity und Ellen sehr gut. Zudem haben mich die Dialoge wirklich sehr gut unterhalten und ich hatte das Gefühl, die ein oder andere Situation auch schon erlebt zu haben. 

Der Gesamteindruck lässt mich aber etwas milder stimmen. Erstmal bin ich sehr zufrieden, dass der Menschheit ein "Klischee-Blindenbuch" erspart geblieben ist. Hier wird stattdessen ein lebendiges Abenteuer zweier Freundinnen erzählt. Die Geschichte hat mich im Großen und Ganzen gut unterhalten. Allerdings habe ich bei meinen Recherchen zur Rezension festgestellt, dass der englische Titel "Invisble Ellen", besser zur Geschichte gepasst hätte.