Rezension

Penibel recherchiert

Die Maskenbildnerin von Paris -

Die Maskenbildnerin von Paris
von Tabea Koenig

Bewertet mit 5 Sternen

Dieser historische Roman von Tabea Koenig spielt Anfang des 20. Jahrhunderts in Frankreich.

 

Valérie, Tochter eines Künstlerehepaares ist für damalige Zeiten recht fortschrittlich erzogen, entscheidet sich gegen ihre Liebe zu Gabriel und für das Studium an der Kunstakademie in Paris. So beginnt für sie ein aufregendes Leben in Paris. Valérie lernt zahlreiche Künstler wie Modigliani oder Picasso kennen. Noch ist keiner reich, sondern man hilft sich mit Kontakten, Wohnmöglichkeiten und Absinth aus. Einer dieser Kontakte ist Apollinaire, der sie unter seine Fittiche nimmt und sie u.a. Olympe de Montesquieu und später Gertrude Stein vorstellt.

 

Als 1914 der Große Krieg ausbricht, rücken sowohl Valéries Zwillingsbruder Jules als auch Gabriel ein. Jules fällt und Valérie kehrt für die Trauerfeierlichkeiten in das Elternhaus in Cherbourg zurück. Dort trifft sie Gabriel, der inzwischen mit Claudine verheiratet ist. Die alte Liebe flammt wieder auf und Valérie wird schwanger. Quel scandale! Unverheiratet und von einem verheirateten Mann? Soweit geht die Aufgeschlossenheit der Eltern nicht und Valérie muss ihre Tochter Julie in einem Waisenhaus abgegeben. Gabriel gilt als vermisst. Apollinaire meldet sich freiwillig und kommt mit einer schweren Kopfverletzung nach Paris zurück. Erst mit seiner Rückkehr begreift Valérie was der Krieg für die Überlebenden bedeutet. Sie lernt durch Gertrude Stein die Amerikanerin Anna Coleman Ladd kennen, die ein Atelier für die Herstellung von Gesichtsprothesen führt.

Hier in dieser Werkstätte findet sie ihre Erfüllung und verliebt sich in einen Patienten – den Soldaten Louis. Doch als es ernster zwischen den beiden wird, weiß sie nicht, wie sie mit ihrem Geheimnis um Julie umgehen soll …

 

Meine Meinung:

 

Autorin Tabea Koenig hat sich in ihrem historischen Roman gleich mehrerer Themen angenommen. Zum einem handelt es sich um die Kunstszene von Paris in den Anfangsjahren des 20. Jahrhunderts und den Veränderungen, die auch die Frauen betrifft. Sie wollen ihre Rechte und Unabhängigkeit.

 

Zum anderen zeigt sie ihren Lesern die Auswirkungen des Großen Krieges auf die Menschen und das Land. Dabei legt sie den Fokus auf die Kriegsversehrten, vor allem auf jene, deren Gesicht durch Granatsplitter oder Gewehrkugeln verunstaltet worden ist. Diese Gruppe der Kriegsteilnehmer traut sich nicht mehr unter die Menschen, weil ihre Verstümmelungen die meisten verschreckt und abstößt. Dafür hat sie penibel recherchiert und zahlreiche historische Personen in ihren Roman eingeflochten wie Gertrude Stein, Anna Coleman Ladd, die Initiatorin des Gesichtsprothesen-Atelier oder Albert Jugon, der mit vier anderen Versehrten bei der Unterzeichnung des Friedensvertrags 1919 in Versailles, die deutsche Delegation an ihre Verantwortung erinnert. „Gueules Cassées, zerhauene Visagen", werden diese Männer genannt. Diesen fünf historisch verbürgten Veteranen stellt die Autorin Louis zur Seite. Wir erfahren von der Arbeit der Künstler, die zahlreichen Männern einen kleinen Teil ihrer Würde zurückgeben könnten. Denn, „löscht man die Gesichtszüge aus, verliert der Mensch seine Identität. Ein Mann ohne Arm erzeugt Mitleid - ein Mann ohne Gesicht ruft Ekel hervor.“ (Zitat aus dem Spiegel-Bericht von 09.11.2018).

Ich selbst habe bei einem Besuch der Berliner Charité solche Gesichtsprothesen und feinmechanische Hände gesehen.

 

Der Titel hat mich zu Beginn ein wenig irritiert, weil ich an „Maskenbildnerin“ in Revue und Theater gedacht habe. Die Schlüsselszene für Valéries Werdegang als Maskenbildnerin ist jene, in der sie von Gabriels Gesicht einen Gipsabdruck macht, um ihn quasi ständig bei sich zu haben.

 

Fazit:

 

Ein penibel recherchierte historischer Roman, der uns die Zeit der Pariser Bohéme sowie die schrecklichen Folgen des Ersten Weltkriegs für die Versehrten näher bringt. Gerne gebe ich hier 5 Sterne.