Rezension

Odyssee und viel mehr

Der Sohn des Odysseus -

Der Sohn des Odysseus
von Annika Thor

Bewertet mit 5 Sternen

Schon als Kind mochte ich die Sagen rund um den Trojanischen Krieg. Annika Thor liefert hier eine wunderbare Neuerzählung mit ganz anderer Perspektive und interessanten Twists. Gleichzeitig ist es eine überzeugende Coming of Age-Story, denn Held der Geschichte ist nicht Odysseus selbst, sondern sein Sohn Telemachos.

Ein Jahr alt war Telemachos, als Odysseus gegen seinen Willen in den Trojanischen Krieg gelockt wurde. Odysseus' List hat den Griechen den Sieg gebracht. Doch Telemachos und seine Mutter Penelope warten vergebens auf die Rückkehr von Odysseus, des Königs von Ithaka. Was seinen Vater aufhalten könnte, erzählt Telemachos Kinderfrau ihm in Nacherzählungen ihrer farbenprächtigen Träume. Auch Penelope und Telemachos selbst haben solche Träume. Dabei lässt die Autorin stets raffiniert offen, ob es sich dabei um die Realität handelt.
Zehn Jahre des Wartens vergehen. Während Telemachos darum kämpft, ohne väterliches Vorbild zum Mann in Haus und Thronsaal heranzureifen, sammeln sich die Freier um Penelope, die Odysseus für tot erklären und die Macht auf Ithaka übernehmen wollen. Als selbst Telemachos' Leben bedroht scheint, macht sich Telemachos auf, seinen Vater zu suchen. Werden ihm die Götter zur Seite stehen wie einst seinem Vater?

Die Autorin zeigt Telemachos als Protagonisten mit all seinen Schwächen und Unsicherheiten, was ihn nur umso sympathischer macht. Gleichzeitig eröffnet sie hier einen ganz anderen Blick auf den großen Helden Odysseus und zeigt, dass häufig alles nicht so ist, wie es scheint. Auch Penelope ist keine bloße Randfigur, sondern eine starke Frau, die eigentlich fähig wäre, allein zu herrschen.
Mit dem überraschenden Ende, das gleichzeitig eine schöne Botschaft transportiert, hat mich Annika Thor vollends von ihrer Geschichte überzeugt.

Das Buch ist eigentlich als Jugendbuch ausgewiesen und mit schönen Schwarz-Weiß-Zeichnungen geschmückt. Durch das Thema ist es zwanglsläufig nicht frei von Brutalität. Ich habe mich als Erwachsene ebenfalls als zur Zielgruppe gehörig gefühlt.