Rezension

Modernes Weihnachtsmärchen, das leider etwas blass bleibt

Der Advent, in dem Emma ihren Schutzengel verklagte - Noel Hardy

Der Advent, in dem Emma ihren Schutzengel verklagte
von Noel Hardy

Bewertet mit 3 Sternen

Pro:
Das Cover hat mir wunderbar gefallen, es hat sowas Nostalgisches, Verspieltes, das gut zu einem Weihnachtsbuch passt. Es fühlt sich auch gut an: das Papier ist schwer und etwas rau - und übrigens FCS-zertifiziert, also aus verantwortlichen Quellen!

Die Idee klang großartig und wirklich originell... Den Schutzengel verklagen? Das hat man sich vielleicht insgeheim schon einmal gewünscht, aber wer käme schon auf die Idee, das mit Hilfe eines drittklassigen Anwalts, der Sprechstunde in einem Strip-Club hält, wirklich durchzuziehen! Es gibt auch noch eine vielversprechende Nebenhandlung, in der es darum geht, das Kunstgeschäft von Emmas Vater vor einem skrupellosen Konkurrenten zu retten, der auch vor illegalen Methoden nicht zurückschreckt.

Auch die Zusammenstellung der Charaktere ist einfallsreich :
Da hätten wir die Protagonistin - eine vom Pech gebeutelte Restauratorin, bei der wirklich alles schief geht, was nur schief gehen kann. So kommt sie zum Beispiel ins Krankenhaus, weil sie sich bei einem Unfall den Kopf so heftig angeschlagen hat, dass sie ohnmächtig wurde... Aber dann wacht sie während einer Operation auf, weil der Anästhesist die Betäubung falsch dosiert hat, und muss feststellen, dass ihr gerade der Blinddarm entfernt wird, weil sie mit einer anderen Patientin verwechselt wurde! Ansonsten gibt es noch: eine sexbesessene Ballerina, einen eitlen Pfarrer, den schon erwähnten drittklassigen Anwalt, einen schmierigen, betrügerischen Kunsthändler, und zu guter Letzt einen mürrischen Schutzengel.

Der Schreibstil ist etwas wankelmütig. Meist ist er kompetent, manchmal sogar fast poetisch... Manche Dinge fand ich wirklich witzig, wie zum Beispiel Emmas skurrilere Unfälle und Missgeschicke. Nur gelegentlich erschien er mir etwas banal.

Kontra:
Die Geschichte konnte mich nicht so recht bei der Stange halten - relativ schnell war bei mir einfach die Luft raus, und danach habe ich eher lustlos weitergelesen. So originell die Grundidee war, so sehr kränkelte es meiner Meinung nach an der Umsetzung.

Mein größtes Problem war, dass ich mit den meisten Charakteren einfach nicht warm wurde. Mit Emma habe ich am Anfang noch richtig mitgelitten, und sie hat mir Leid getan, dass in ihrem Leben so Vieles schiefgeht. Aber je weiter das Buch fortschritt, desto weniger konnte ich sie verstehen, und gegen Ende wird sie dann eher als gedankenlose oder sogar selbstsüchtige Frau porträtiert, die für ihr eigenes Leben keine Verantwortung übernimmt. Der Engel Murat blieb für mich enttäuschend blass und eindimensional. Was erfährt der Leser wirklich über ihn, abgesehen davon, dass er atemberaubend gutaussehend ist und nicht sonderlich begeistert darüber, auf die Erde geschickt worden zu sein? Leider sehr wenig. Sera, die beste Freundin Emmas, ist eigentlich ein interessanter Charakter - leicht durchgeknallt, ständig in den Falschen verliebt und unbekümmert davon überzeugt, dass sie das Zeug hat, ein Medium zu sein. Aber sie war mir oft zu überzogen, und ihr ständiges Klagen darüber, dass sie keine Orgasmen mehr bekommt, war für mich relativ schnell nicht mehr witzig.
Der "Bösewicht" und der Pfarrer wirkten auch mich einfach zu schwarz-weiß.

Viele Details waren für mich nicht schlüssig. Zum Beispiel wird am Anfang gesagt, dass Murat alle Engelsfähigkeiten für seine Zeit auf Erden entzogen wurden, und dass sein Gedächtnis mehr oder weniger gelöscht wurde. Aber das wird nicht konsequent durchgezogen - mal scheint er sich an so gut wie nichts zu erinnern, mal dann doch an Vieles, bis ins kleinste Detail, wie es gerade praktisch für die Geschichte ist.

Der Klappentext lässt deutlich anklingen, dass hier eine Liebesgeschichte zu erwarten ist, aber tatsächlich kommt lange Zeit sehr wenig Romantik auf. Es wird immer mal wieder eingestreut, wie attraktiv Emma Murat findet, aber von Gefühlen ihm gegenüber wird nur wenig gesprochen. Dann ist es auf einmal so, als hätte bei ihr jemand einen Schalter umgelegt. Das wirkte auf mich leider erzwungen und eher traurig als schön.

Ich denke, das ist vielleicht zum Teil sogar beabsichtigt; rückblickend würde ich sagen, dass es hier überhaupt nicht um eine Liebesgeschichte geht, sondern eher um ein modernes Märchen darüber, was wirklich wichtig im Leben ist. Ich hätte mir aber gewünscht, dass dann gar nicht erst anderweitige Erwartungen geweckt worden wären.

Zusammenfassung:
Wer das Buch lesen möchte, sollte sich im Klaren darüber sein dass es keine Liebesgeschichte ist, sondern ein eher anspruchsloses Weihnachtsmärchen.