Rezension

Ich habe einige ältere Menschen aus meiner Umgebung wieder erkannt

Ich bin nicht süß, ich hab bloß Zucker - Renate Bergmann

Ich bin nicht süß, ich hab bloß Zucker
von Renate Bergmann

Bewertet mit 4 Sternen

Die Online-Omi trinkt gern mal einen Korn, an Wahltagen steht sie früh aus, um den obligatorischen Blumenstrauß, den der jeweils erste Wähler erhält, in Empfang zu nehmen und Joghurtbecher spült sie aus, falls mal jemand ihren Müll untersuchen sollte. Die Blumensträuße verteilt sie übrigens immer abwechselnd auf den Gräbern ihrer vier Ehemänner.

Es ist bereits einige Wochen her, dass ich bei Facebook auf den Twitteraccount von Renate Bergmann aufmerksam wurde und ihr seither folge. Hinter dem Account steckt Torsten Rohde, 40 Jahre alt, dessen Sprüche genau nach einer Dame in den 80ern klingen. Genau genommen habe ich da einige ältere Menschen aus meiner Umgebung wieder erkannt  :)

Frau Bergmann lebt in Berlin, ist 82 und zum vierten Mal verwitwet, grundsätzlich ist sie gesundheitlich auf der Höhe, hat aber Zucker und “Ossiporose”. Warum sie nun auch noch ein Buch geschrieben hat, ist schnell erklärt, denn bei Twitter bleiben nur 140 Zeichen und wer die Online-Omi kennen gelernt hat, weiß, dass eine Renate Bergmann sich nicht ganz so kurz fassen kann  [;)]

Begonnen hat alles damit, dass ihr Enkel Stefan ihr sein altes iPhone geschenkt, aber versäumt hatte seine Apps zu deinstallieren, wodurch seine Omi ganz begeistert in seinem Namen bei “Fäßbuck” postet. Nach einem ersten Wutanfall richtet Stefan seiner Großmutter eigene Accounts bei “Fäßbuck” und Twitter ein und seither ist Renate Bergmann immer und überall “onlein”. Im Gegensatz zu ihren Altersgenossen hinterfragt die Online-Omi gerne mal was bei “Gockel” und von “Nordisch Wokken” hält sie genau so wenig wie von Sojafleisch, schliesslich hat sie nicht den Krieg überlebt um nun dieses Kunstzeugs zu essen.

Renate Bergmann erzählt im Buch aus ihrem Leben, z.B. von ihrer Freundin Getrud, mit der sie sich anhand von Todesanzeigen Beerdigungen aussucht, um sich auf dem anschließenden Leichenschmaus durchzufuttert, zwei ältere Damen mehr oder weniger fallen schliesslich nicht auf. Oder auch von ihrer Freundin gleichaltrigen Freundin Ilse und deren 87-jährigem Ehemann Kurt, der nicht mehr so gut sieht, aber die beiden Damen trotzdem noch überall hinfährt – maximal im dritten Gang natürlich.

Außerdem sind da noch ihre Tochter Kirsten, die sich ausschliesslich gesund ernährt und viel Wert auf “Sheng Pfui” legt und “die Berber”, das durchtriebene Luder von nebenan.

Die Online-Omi trinkt gern mal einen Korn, an Wahltagen steht sie früh aus, um den obligatorischen Blumenstrauß, den der jeweils erste Wähler erhält, in Empfang zu nehmen und Joghurtbecher spült sie aus, falls mal jemand ihren Müll untersuchen sollte. Die Blumensträuße verteilt sie übrigens immer abwechselnd auf den Gräbern ihrer vier Ehemänner.

Die Erzählungen von Renate Bergmann sind unterhaltsam, teils etwas klischeehaft, gespickt mit Haushaltstipps (“Wenn eine Renate Bergmann bohnert dann richtig!”) und Lebensweisheiten.

Die Anekdoten bewegen sich auf einem gleichbleibenden Niveau, wo ich anfangs noch lauthals lachen konnte, musste ich gegen Ende nur noch schmunzeln. Sicherlich war das Hörbuch sehr unterhaltsam, möglicherweise hätte ich dazwischen einfach einmal etwas anderes hören müssen, um den Humor wieder in vollen Zügen genießen zu können. So ist ein wenig der immer gleiche Trott eingekehrt, aber keinesfalls Langeweile. Ich vergebe vier von fünf Sterne und hoffe, eine Renate Bergmann wird wissen, dass sie von Herzen kommen und ihren Unterhaltungswert keinesfalls schmälern sollen  :)