Rezension

Eine sehr gefühlvolle und atmosphärische Geschichte!

Das Licht zwischen den Meeren
von M. L. Stedman

Bewertet mit 5 Sternen

Blow the wind southerly, southerly, southerly, blow the wind southerly o'er the bonnie blue sea... - Seite 15 Das Licht zwischen den Meeren - ein sehr poetischer Titel, der den Takt in diesem wundervollen, sehr emotionalen Roman vorgibt: M. L. Stedmans Debüt aus dem Limes Verlag war mir bereits in den Verlagsvorschauen aufgefallen und stand weit oben auf der Wunschliste.

Ein Leuchtturm, 100 Meilen entfernt von der Zivilisation

Tom Sherbourne, ein junger, vom Grauen des Ersten Weltkrieges geschundener Soldat bewirbt sich nach dem Krieg 1918 als Leuchtturmwärter für Janus Rock. Er sucht die Ruhe nach dem Sturm und findet sie auf diesem kleinen Eiland, viele 1000 Kilometer von seiner Heimat Sydney entfernt an der Südwestküste Australiens, nahe des Küstenstädchens Point Partageuse. Er kennt diesen Leuchtturm, war es doch der letzte Anblick, bevor sein Truppentransporter Richtung Kriegsschauplatz aufbrach. Es muss weitergehen, nach all dem Tod und der Zerstörung muss das Leben in der Stadt weitergehen, soll der Tod der geliebten Kinder nicht umsonst gewesen sein, als Teil des großen Ganzen, des übergeordneten Interesses, das Böse zu besiegen. Tom hat den Krieg erlebt, überlebt und flüchtet nun auf Janus Rock, um den dortigen Job als Hüter des Lichtes zu übernehmen. Nur wenige Wochen nach seinem Eintreffen lernt er die junge Isabel kennen, Tochter des hiesigen Schuldirektors und verliebt sich in sie. Das Schicksal nimmt seinen Lauf, als eines Tages ein Boot an den Strand der Leuchtturminsel geschwemmt wird. Entscheidungen werden gefällt, welche nicht nur das Leben des Paares von einer auf die andere Sekunde ändern; Entscheidungen, so folgenschwer und doch aus so tiefem Herzen getroffen.

Visuelle Kontrastpunkte

Seht euch dieses Cover an, ist das nicht eine Augenweide? Schon in der Verlagsvorschau war ich von diesem Anblick sofort gefangen. Die Kombination aus Aquarellzeichnung, Tuschestrichen und Fotografie - eine kunstvolle Collage, gedruckt auf gutem, schweren Papier - ist ein absoluter Blickfang und die Farbgebung einfach rund herum gelungen, spiegelt sie doch die Zerrissenheit wieder, von welcher die Protagonisten erfüllt sind. Die Grenze zwischen Licht und Dunkel, zwischen guten und schlechten Entscheidungen, die Grenze zwischen der kleinen Insel weit draußen im Meer und dem Kontinent. Vergangenheit und Zukunft. Das Cover des Limes Verlags empfinde ich passender als das der englischen Ausgabe bei Randomhouse Australia, welches mehr in Erdtönen gehalten wurde. Das Symbol des Skorpions als Ausdruck für Gefahr gefällt mir jedoch ebenfalls sehr gut.

Schlägt man den Buchdeckel auf, hat man eine in Blautönen gezeichnete Karte Australiens vor sich, im Stil alter Kartografien, versehen mit liebevoll platzierten nautischen Symbolen. Natürlich findet sich auch Point Partageuse auf der Karte, ebenso wie Janus Rock. Ich habe ein wenig recherchiert und habe festgestellt, dass die im Buch bezeichneten Orte inklusive der Leuchtturminsel der Phantasie der Autorin entspringt. Sie ließ sich von einem Punkt mitten im Meer inspirieren, wo das warme Wasser des indischen Ozeans auf das eiskalte Südpolarmeer trifft - wiederum einer der Kontrastpunkte, welche sich durch den gesamten Roman ziehen.

Eine Entscheidung, die das ganze Leben verändert...

Dieses Buch versprüht ein emotionales Feuerwerk. Wenn ich es von seiner Gefühlsintenstität mit anderen Vertretern dieses Genres vergleichen möchte, dann am ehesten mit Jojo Moyes »Ein ganzes halbes Jahr« aus dem Rowohlt Verlag. Ich habe mindestens ebenso oft zum Taschentuch gegriffen wie bei der rührenden Geschichte um Lou & Will. Das Thema "Licht und Dunkel, Sicherheit und Gefahr" zieht sich durch die Story wie ein roter Faden. Frau Stedman schreibt gefühlvoll und eloquent, tiefgründig und so bildhaft, dass ich das Rauschen der Wellen höre, das Salz in der Luft schmecke und die Tränen der Protagonisten auf meinen eigenen Wangen spüren kann. Mehr als einmal sank das Buch auf meine Knie, ich musste es auf mich wirken lassen. Es ist ein großartiges Debüt einer australischen Autorin, von der wir mit Sicherheit noch hören werden, wenn sie diese kraftvolle Art, ihre Ideen in Worte zu fassen, beibehalten kann. 448 Seiten lang war ich wie gefangen in diesem Roman, ich las und las, ich war Teil dieser Geschichte. Ich litt mit Izzy und Tom, ich verfluchte manches Mal das schwere Schicksal, das die beiden ertragen mussten und manches Mal erkannte ich die eine oder andere Parallele zu meinen eigenen Entscheidungen. Doch nicht nur die emotionale Tiefe ist brillant, auch der Schauplatz der Geschichte zog mich magisch an.

Er denkt daran, dass er Abschied von den unterschiedlichen Menschen nehmen muss, die sich in ihm vereinen - dem verlassenen Achtjährigen, dem halb wahnsinnigen Soldaten am Rande der Hölle und dem Leuchtturmwärter, der es gewagt hat, sein Herz zu öffnen. All diese Leben sind in ihm ineinandergeschichtet wie in einer russischen Puppe. - Seite 398

Ich gestehe, ich bin ein Fan dieses fernen Kontinents. Ich lese Bücher über Australien, von den Aborigines bis zur Flora & Fauna, sehe mir Dokumentationen zur Geschichte Down Unders an und sauge alle Informationen, welche mit diesem faszinierenden Stückchen Erde zu tun haben, in mir auf. Nicht jedes Buch, welches Australien als Handlungsschauplatz wählt, lese ich auch automatisch. »Das Licht zwischen den Meeren« erweckte nicht nur ob der Kulisse, sondern hauptsächlich aufgrund des wirklich höchst interessanten Klappentextes meine Aufmerksamkeit. Eine Lebensgeschichte in all seinen Facetten, gebeutelt vom Schicksal, an einem Ort spielend, wo zwei so gegensätzliche Elemente mit all ihrer Kraft aufeinander prallen, ein Fels in der Brandung, der für Orientierung sorgt und doch bietet er seinen Bewohnern nur begrenzt Schutz und Ruhe. Dieses Bild taucht immer wieder auf: der Leuchtturm, der zwischen zwei Ozeanen steht, der Name eines Gottes für diese Insel, der zwei Gesichter hat, welche in verschiedene Richtungen blicken - der Turm, der einen Blick aufs Meer gewährt und in Richtung Land blicken lässt, wo die Gefahr, entdeckt zu werden lauert; ein Ort, der doch gleichzeitig Heimat für zwei Menschen ist, die sich gefunden haben, einander lieben und deren Liebe auf eine harte Probe gestellt wird, einzig und allein aufgrund einer Entscheidung. Jedes Handeln hat seine Konsequenzen, nicht nur für den Agierenden selbst, sondern auch für sein Umfeld.

Die Sterne gab es schon vor den Menschen. Sie schienen einfach immer weiter, egal, was auch geschah. Genauso ist für mich auch der Leuchtturm hier. Ich stelle ihn mir als Splitter eines Sterns vor, der auf die Erde gefallen ist: Er leuchtet, unabhängig von den Umständen - Sommer, Winter, Unwetter, Sonnenschein. Darauf kann sich der Mensch verlassen. - Seite 75

M. L. Stedman schafft ein so lebendiges Portrait von Personen, Orten und Gefühlen, dass ich mich der Story unmöglich entziehen konnte und das Buch allerhöchstens aus der Hand legte, wenn die Augen schon vor Müdigkeit zufielen. Sie zeichnet den Zwiespalt der Gefühle, das Toben im Herzen und die emotionale Macht von Entscheidungen so gefühlvoll und intensiv, wie ich es schon länger nicht mehr erleben durfte. Sie spielt mit Perspektivenwechsel, springt in die Vergangenheit, um uns die Charaktere vorstellen zu können und fokussiert ihr Buch auf Werte wie Moral, Ehrlichkeit, Treue und die wahre, tiefempfundene, alles überdauernde Liebe. Tom und Isobel haben ihre Ecken und Kanten, sie sind nicht perfekt und gerade das macht die beiden so interessant und glaubwürdig. Wenn ich eines nicht mag, sind es aufgesetzte Charaktere, die kein Identifikationspotential bieten.

Die Einsamkeit spinnt einen eigenartigen Kokon, indem sie den Verstand auf einen Ort, einen Zeitpunkt und einen Rhythmus bündelt - das Rotieren der Lampe. [...] Auf einer Leuchtturminsel kann man seine Lebensgeschichte nach Belieben selbst schreiben. Niemand kann einem widersprechen, nicht die Möwen, nicht die Prismen und auch nicht der Wind. - Seite 147

Die sprachliche Eloquenz begeisterte mich, diese metaphorisch durchwirkte Handlung faszinierte mich und das hielt bis zur allerletzten Seite an. Es war mal wieder einer dieser Romane, den man wehmütig zuklappt. Ein Roman, der mir die Tränen der Rührung in die Augen schießen ließ. Ein Roman, dessen Ende ehrlich war, das Gesamtbild formvollendet abrundete und mich mit dem Gefühl zurückließ, dass alles, so wie es geschehen ist, seine Richtigkeit hat. Allein schon aus diesem Grund liebe ich dieses Buch einfach. »Das Licht zwischen den Meeren« muss man selbst erlebt haben, deswegen verrate ich auch abseits der kurzen Inhaltsbeschreibung nichts. Lest diesen Roman, begebt euch auf diese emotionale Reise mit Tom und Isabel und berichtet mir, ob es euch auch so mitreißen konnte. Wie hättet ihr gehandelt?

Mein Fazit: Eine sehr gefühlvolle und atmosphärische Geschichte, getragen von zwei so aussagekräftigen Figuren, die sich lieben und die wohl schwerste Prüfung ihres Lebens ablegen müssen - eine Geschichte, so lebendig und intensiv. einfach so menschlich und abgerundet durch ein Ende, das besser, authentischer und wahrhaftiger nicht sein könnte. Eine Geschichte, die Spuren in der Seele hinterlassen hat und absolut zu empfehlen ist, wenn man Lust auf ein tiefgreifende, berührendes Literatur hat, die das Herz zum Klopfen bringt und tief in die Seele blicken lässt.