Rezension

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Das Meer ist mächtiger als der Mensch

Die Farbe des Nordwinds -

Die Farbe des Nordwinds
von Klara Jahn

Bewertet mit 4.5 Sternen

Als junges Mädchen lebte Ellen für eine Weile auf einer Hallig, was für sie eine prägende Erfahrung war. Damals kam sie mit ihrer Mutter Sunny, die eine kurze Beziehung zum Halligbauern Thijmann hatte, auf dieses karge Stück Land und fühlte sich sofort heimisch. Thijmanns Tochter Liske, etwa so alt wie Ellen, wuchs ohne Mutter auf, Ellen ohne Vater. Die beiden Mädchen freundeten sich an, doch dann merkte Sunny, dass das Leben auf einer Hallig doch zu hart und nichts für sie war, und sie ging wieder weg, mit Ellen im Schlepptau. Liske blieb enttäuscht zurück, hatte Sunny ihr doch Reisen und ein Leben jenseits der Hallig in Aussicht gestellt.

 

20 Jahre später kehrt Ellen nach einer gescheiterten Beziehung zurück auf die Hallig, um dort als Lehrerin zu arbeiten. Liske begegnet ihr äußerst abweisend, zu tief sitzt die Verletzung von damals, auch wenn es Sunny war, die sie enttäuschte, nicht Ellen. Liske ist nie von der Hallig weggekommen, hat mittlerweile einen kleinen Sohn und kümmert sich um den Hof und ihren alten Vater. Darüber hinaus ist sie engagierte Vogelschützerin. Als alleinerziehende Mutter ist sie oft überfordert, der kleine Jasper ist stundenlang allein auf der Hallig unterwegs und ist auch sonst in vielem auf sich allein gestellt. Ellen fängt an, sich um Jasper zu kümmern, doch Liske empfindet dies als Einmischung und Bevormundung.

 

In einem zweiten Handlungsstrang erleben wir die Hallig von vor 200 Jahren. Die Brüder Arjen und Hendrik Martensen sind nach dem Tod der Mutter Waisen. Pastor Danjel erkennt, wie intelligent der ältere der beiden, Arjen, ist, und nimmt ihn mit zu sich nach Husum, um ihm dort Schulbildung zu ermöglichen. Hendrik bleibt allein zurück und kommt zu Stiefeltern. Als Arjen Jahre später als Dorflehrer auf die Hallig zurückkehrt, will Hendrik nichts von ihm wissen, zu groß ist die Verbitterung darüber, zurückgelassen worden zu sein.

Es gibt also durchaus Parallelen zwischen den Handlungssträngen Heute und Damals, nur dass das Leben damals ungleich härter war. Anhand einer alten Chronik erfährt der Leser viel über die große Sturmflut des Jahres 1825, bei der die Halligbewohner im Schlaf von der Flut überrascht wurden und insgesamt 80 von ihnen ums Leben kamen.

 

Klara Jahn gelingt es ganz hervorragend, die karge Landschaft und die Herausforderungen, die das Leben auf einer Hallig an ihre Bewohner – sowohl heute als auch damals - stellt, zu schildern. Ich habe das Buch mit großem Interesse und Begeisterung gelesen, lediglich am Ende hätte ich mir eine detailliertere Auflösung gewünscht, da manches für meine Begriffe im Schnellverfahren abgehandelt wurde. Trotzdem ist „Die Farbe des Nordwinds“ für mich eines der Lesehighlights des bisherigen Jahres.