Rezension

Brutal ehrlich und sarkastisch

30 Tage und ein ganzes Leben - Ashley Ream

30 Tage und ein ganzes Leben
von Ashley Ream

Bewertet mit 4 Sternen

Einige Worte zum Inhalt

Die erfolgreiche Künstlerin Clementine beschließt, dass sie sterben möchte. Zu viel hat sie in ihrem Leben durchgemacht, zu sehr leidet sie Tag für Tag, als dass sie den ewigen Kampf mit sich selbst weiterführen könnte. Dreißig Tage gibt sie sich, um alles zu regeln: ihren Selbstmord zu planen, ein Testament zu schreiben und das zu tun, worauf sie Lust hat, ohne Rücksicht auf Verluste.

Meine Meinung

Dieses Buch ist nichts für schwache Nerven. Ashley Ream entführt den Leser von der ersten Seite an in Clementines düstere Gedankenwelt und lässt ihn hautnah miterleben, wie sehr eine psychische Krankheit und auch die Medikamente, die eigentlich helfen sollen, einen Menschen zerstören können. Demnach ist Clementine keine Protagonistin, mit der man zwangsweise sympathisieren muss. Dies ist mir vor allem beim Lesen von Rezensionen aufgefallen: Sehr oft konnten die Rezensenten sich nicht mit Clementine identifizieren und so keine Nähe zu ihr aufbauen. Bei mir war das jedoch völlig anders, ich konnte Clementine verstehen und auch, wenn sie einen gewöhnungsbedürftigen Charakter hat, habe ich große Zuneigung zu ihr aufgebaut.

“Aber wenn man krank im Kopf ist, stellt keiner die Maschinen ab, auch wenn die Schmerzen zu heftig werden, auch wenn alle wissen, dass es nicht mehr besser wird.” – S. 222

Nach und nach erfährt man, wo die Ursache von Clementines Problemen liegt, und schließlich wundert man sich nicht mehr, dass sie ist, wie sie ist. Und nun hat sie sich aufgegeben, möchte nicht mehr weiterleben. Eines ihrer letzten Ziele ist es, ihren Vater, der die Familie vor langer Zeit verließ, ausfindig zu machen, und der Roman gleitet in das Genre des Familiendramas, was mir sehr gut gefällt. Denn Clementines Familie ist der zentrale Knackpunkt der Geschichte und sorgt für unvorhergesehene Wendungen. Die Handlung setzt sich aus Clementines Suche nach ihrem Vater, ihren Vorbereitungen für ihr Ableben und Einblicken in ihr Leben als Künstlerin zusammen, was ich als gelungene Mischung empfinde.

Neben Clementine spielen unter anderem auch ihre Assistentin Jenny, die sie allerdings gefeuert hat, und ihr Exmann Richard eine Rolle. Für beide konnte ich Sympathie aufbauen und ich finde, dass die Charaktergestaltung Ashley Ream insgesamt sehr gut gelungen ist. Sie vermeidet Klischees und entwirft individuelle Charaktere, jeder für sich etwas Besonderes.

“Mit dem Verrücktsein verhält es sich nämlich so: Man weiß durchaus davon, auch wenn man nichts dagegen tun kann.” – S. 311

Einfühlsam und brutal ehrlich zugleich berichtet die Autorin von Clementines Leben. Der Schreibstil ist alles in allem gut und lässt sich angenehm lesen, allerdings ist er für meinen Geschmack etwas zu oft ins Vulgäre abgedriftet. Ich persönlich mag das einfach nicht, es passt jedoch zur Stimmung des Romans. Sehr gut gefallen hat mir der Humor, der von Sarkasmus durchsetzt ist, denn dieser hat die Thematik aufgelockert.

Das Ende des Buches kam für mich unerwartet, doch es ist stimmig, denn anders hätte es, wenn man nach dem Lesen darüber nachdenkt, nicht enden können. Auch der Moment, in dem die Geschichte endet, ist perfekt abgepasst. Der Roman hat mich mit vielen Gefühlen zurückgelassen und ist mir auch danach noch intensiv durch den Kopf gegangen.

Fazit

30 Tage und ein ganzes Leben ist ein mitreißender, authentischer Roman, der mitnimmt und zum Nachdenken anregt. Trotz kleinerer Schwächen hat mir das Buch sehr gut gefallen, vor allem wegen der eigenwilligen Protagonistin. Wenn ihr selbst auch solche Protagonisten mögt, kann ich euch das Buch wärmstens empfehlen!