Rezension

Brisante Thematik

Deutschland misshandelt seine Kinder - Michael Tsokos, Saskia Guddat

Deutschland misshandelt seine Kinder
von Michael Tsokos Saskia Guddat

Die Autoren Tsokos und Guddat sind Rechtsmediziner der Berliner Charitè. Mit ihrem Buch decken sie Missstände auf, die einfach unfassbar sind. Es sind Tatsachen, die hier behandelt werden, nichts davon ist Fiktion. Ehrlich gesagt liest es sich wie ein schlechter Krimi, denn häufig hatte ich eine Gänsehaut, während ich las, was Eltern, Stiefeltern, Lebensgefährten/innen mit ihren Kindern anstellen. Dabei spielt es keine Rolle, ob ein Kind 6 Monate oder 6 Jahre alt ist.
Genauso erschreckend ist die Tatsache, dass die Täter in allen Gesellschaftsschichten anzutreffen sind. Die Häufigkeit nimmt in den unteren Schichten eher zu, aber die Taten sind die Gleichen. Schläge, Schütteltrauma, Verbrennungen, Striemen, Knochenbrüche, Verbrühungen, Bisswunden, einfach alles.

Oft sind es Elternteile, die total überfordert sind oder allein gelassen wurden, oder die trotz Zusammenarbeit mit den Jugendämtern und der Familienhilfe ihre Kinder weiterhin misshandeln.

Es ist eine Aneinanderreihung, die sich kaum unterbrechen lässt: Die Eltern sind überfordert, wurden in ihrer Kindheit oft selbst zum Opfer, und sind jetzt Täter. Die Jugendämter sind unterbesetzt, und mit viel zu vielen Fällen total überlastet. Beauftragte Organisationen, die als Familienhilfe unterstützen sollen, sind entweder noch zu jung und unwissend, erkennen die Symptome nicht oder missverstehen diese. Manche von ihnen wollen die Probleme nicht sehen, damit sie selbst als die "Guten" dastehen, denn in ihren "Familien" kommt so etwas ja nicht vor.

Und überhaupt: Eltern tun so was nicht...

Das ist wohl häufig auch die Meinung der Mediziner in Arztpraxen und Krankenhäusern. Und Misshandler sind wirklich sehr erfinderisch, was das Geschichten erfinden betrifft.

Es gibt in diesem Buch unzählige "Unfälle", und nur sehr wenige von ihnen sind tatsächlich nicht durch Misshandlung entstanden, sondern durch bis dahin unerkannte Erkrankungen oder Gendefekte. Aber das zu selektieren, bedarf sehr guter Kenntnisse und einen offenen Blick auch für das Unvermutete.

Dieses Buch deckt nicht nur auf, es gibt auch Tipps und zeigt Möglichkeiten, damit man selbst tätig werden kann und nicht wegschaut.

Die Autoren gehen hier sehr offen und direkt mit diesem Thema um, hier wird nichts geschönt, alles sind Tatsachen.

Was mir abschließend sehr wichtig ist, sind die Vorurteile, die dringend abgebaut werden müssen: Man darf nicht alle über einen Kamm scheren! Es sind alle betroffen, die Armen und die Reichen, die ganz oben genauso wie die ganz unten.

Ich habe mich sehr schwer getan, etwas zu diesem Buch zu schreiben, darum bin ich vielleicht etwas zu ausufernd geworden, aber ich finde, zu diesem Thema etwas zu schreiben, kann nie zu viel sein!