Rezension

Wenn Liebe und Zuneigung ein Herz wachsen lassen

Das dritte Licht -

Das dritte Licht
von Claire Keegan

Bewertet mit 5 Sternen

Es fehlt – an Zuneigung, Aufmerksamkeit und auch Geld. Die Verhältnisse, in welchen die junge Ich-Erzählerin im Irland des vergangenen Jahrhunderts aufwächst, sind von Mangel gezeichnet. Das Mädchen und ihre Geschwister erscheinen weitestgehend sich selbst überlassen zu sein, Talente, Fähigkeiten und Bedürfnisse finden keine Nahrung, um zu wachsen und erblühen.

Doch für einen Sommer ist alles anders. Das Mädchen wird zu ihrer Tante und ihrem Onkel nach Wexford geschickt, zur Entlastung der erschöpften, hochschwangeren Mutter und aus den Augen des Vaters, der vor allem mit seinen eigenen Leben beschäftigt zu sein scheint.

Und dann, im tiefsten Nirgendwo, öffnet sich die Tür zu einem Paradies: Die Verwandten kümmern sich liebevoll um das Kind und geben ihm all das im Überfluss, was bisher so schmerzlich gefehlt hat und dringend notwendig war. Die kleine Nichte blüht unter der Aufmerksamkeit und tiefen Hingabe der Kinsellas auf und macht in nur wenigen Wochen eine bemerkenswerte Entwicklung durch. Doch ein Sommer kann nicht ewig wehren.

Claire Keegan gelingt es mit nur wenigen Worten und auf nicht einmal 100 Seiten eine Atmosphäre zu schaffen, welche die Leser*innen tief in das ländliche Irland seiner Zeit und das Herzen eines Kindes zieht, das mit seiner Neugierde, Lebensfreude und Suche nach Schutz und Liebe eine Vielzahl an Gefühlen anzusprechen vermag. Die Sprache selbst, poetisch und sorgsam gewählt, ist reduziert und zugleich reich an Bildern und Symbolen und von einer Intensität, die sie bis in die Tiefe von Handlung und Figuren vordringen lässt.

Das Büchlein nach diesem eindringlichen Leseerlebnis wieder aus der Hand zu legen, fiel nicht leicht – zu sehr habe ich mitgelitten mit der kleinen Protagonistin und bin mit ihr gemeinsam durch die reiche grüne Landschaft und die Zeit eines unbeschwerten Sommers geschritten.  Was bleibt, ist das Wissen um ein Werk von hoher literarischer Qualität und die Hoffnung für Kinder wie das kleine Mädchen, die so viel mehr verdienen als ihnen gegeben wird.