Rezension

Wenn die Vergangenheit bis in die Gegenwart Spuren hinterlässt

Heimweh
von Marc Raabe

Bewertet mit 5 Sternen

Jesse Berg arbeitet als Kinderarzt in Berlin, war verheiratet mit Sandra, mit der er die gemeinsame Tochter Isabelle – auch Isa genannt – im Wechsel betreut. Jesse lebte einst im Allgäu als Heimkind in einem privaten Internat Adlershof. Der damalige Heimleiter Artur Messner lebt heute noch im Adlershof, allerdings als pensionierter Mann. Mittlerweile führt sein Sohn Richard das Internat und die Betreuung der Kinder und Jugendlichen. Sandra gehörte damals auch zu den sogenannten Homies – Kinder aus vernachlässigten oder schwierigen Elternhäusern. Jesse wuchs nach dem Tod seiner Mutter beim Vater weiter auf. Als sein Vater aber immer mehr Alkohol trank und seinem Sohn dieses psychisch wie physisch spüren ließ, wurde Jesse vom Vater entzogen. Somit kam er 1981 mit dreizehn Jahren nach Adlershof.

Heute in der Gegenwart lebt Jesse als Arzt und Familienmensch ein beschauliches Dasein bis zu einem einschneidendes Erlebnis. Isa wird entführt und Sandra tot im Wohnzimmer aufgefunden. Jesse läuft die Zeit davon, denn er muss Isa finden, sonst wird auch sie sterben müssen.

Marc Raabe legt mit diesem Psychothriller sein drittes Buch vor. Beim Lesen merkt man, dass der Autor gut recherchiert hat, was mich manchmal beim Lesen an die öffentliche Auseinandersetzung mit der Odenwaldschule erinnerte. Besonders spannend ist der Wechsel zwischen der Vergangenheit 1981 in Adlershof und der Gegenwart in Berlin und Garmisch-Patenkirchen. Jesse muss seine Tochter finden, was hier zu einem Katz-und-Maus-Spiel wird zwischen Jesse, Mitglieder seiner damaligen Clique und dem damaligen Heimleiter Artur Messner. Jesse als Jugendlicher und Erwachsener stellt eine klare Figur dar, allerdings kann man es bei den anderen Figuren nicht immer feststellen, denn sie haben alle ihre Geheimnisse, damals wie heute. Das macht eben die Spannung und die psychologischen Effekte in diesem Thriller aus. Sehr sympathisch fand ich die kleine achtjährige Isabelle, die die ganze Zeit eine kleine Kämpferin darstellte.

Seit einiger Zeit habe ich nicht einen solchen grandiosen und psychologisch spannenden Thriller gelesen. Oft hatte ich Herzklopfen und konnte das Buch nicht an die Seite legen. Unter den deutschen Thriller-Schriftstellern gehört Marc Raabe nun zu meinen Favoriten. Bis zum Schluss hielt der roten Faden mit purer Spannung und Überraschungen. Man bekommt seine Verdachtsmomente, aber man wirft sie schnell wieder über Bord, und muss die Würfel neu mischen, wer nun der oder die Verdächtigen der unterschiedlichen Figuren nun ist. Von Marc Raabe möchte in Zukunft noch mehr solcher Stories lesen.