Rezension

Marc Raabe wird immer besser

Heimweh
von Marc Raabe

Bewertet mit 4.5 Sternen

„Heimweh“ ist in vielerlei Hinsicht ein typischer Raabe geworden. Jesse Berg muss sich der Vergangenheit stellen, traumatische Kindheitserinnerungen verarbeiten und das Geheimnis seiner Kindheit lüften. Waren es in „Schnitt“ und „Schock“ weitgehend die schnellen Schnitte und die brutale Action, die einen fast atemlos machten, hat er sich in seinem neuen Roman mehr Zeit gelassen, die Geschichte zu entwickeln. Mir kommt das sehr entgegen, denn das gibt mir die Gelegenheit, mich ganz auf die Geschichte einzulassen, statt immer nur hinterher zu hecheln.

Sie ist gut erzählt, die Geschichte einer verpfuschten Kindheit. Eingearbeitete Rückblenden untermauern die Handlungsweise der Personen in der Gegenwart. Schneller als Jesse Berg ahnt der Leser dadurch die wahrscheinlichen Zusammenhänge. Das Tut der Spannung aber keinen Abbruch.

Besonders gelungen sind die Passagen mit dem alten Heimleiter und der kleinen Isa. Die sind mir richtig ans Herz gegangen. Auch die Heimkinder und ihre Interaktion fand ich wirklich geglückt. Selbst in einem Internat aufgewachsen, kam mir einiges mehr als bekannt vor. Für mich also stellenweise ein Stück eigene Vergangenheitsbewältigung.

Marc Raabes Schreibstil ist gereift und das tut dem Roman gut. Heimweh ist ein Psychothriller, bei dem das Gewicht etwas mehr auf „Psycho“ als auf „Thriller“ liegt. Die Action kommt dabei keineswegst zu kurz und die Spannung entsteht aus der Spekulation, wie es denn nun wirklich gewesen ist. „Erinnerungen sind nur datengestützte Erfindungen“ und deshalb nichts, worauf man eine Zukunft bauen kann.