Rezension

Wenn aus Zweckgemeinschaft Freundschaft wird

The Marmalade Diaries -

The Marmalade Diaries
von Ben Aitken

Bewertet mit 4 Sternen

Kennt ihr das, wenn Bilder Assoziationen von Wärme und Geborgenheit hervorrufen? Bei mir sind das Marmeladengläser, weil ich dabei an meine Oma denken muss. Marmelade steht für mich für das Gefühl umsorgt zu sein. Und auch wenn es in diesem Buch nicht um Marmelade geht, was der Autor direkt mal klarstellt, so geht es darum, füreinander da zu sein und darum, das eigene Leben für andere Menschen zu öffnen. Eine herrliche schöne Geschichte über eine ungewöhnliche WG. 

Zum Inhalt: London 2021. Corona greift um sich und es geht in den nächsten Lockdown, als Ben dringend eine bezahlbare Unterkunft sucht. Dabei stößt er auf Winnie, 85 und lebhaft in einem großen Haus in Wimbledon, bei dessen Instandhaltung sie Hilfe braucht. Klingt nach dem perfekten Arrangement, denkt sich auch Ben. Doch als der Lockdown das restliche einfriert, finden sich die zwei allein auf engsten Raum wieder. Wenn das mal gut geht. 

Winnie ist ein Goldstück, keine Frage. Sie ist vielleicht nicht die herzliche Oma im klassischen Sinne, aber mit der Art wie sie sich um Arthur kümmert, von ihrer Liebe zu Henry erzählt und mit ihrem Unvermögen alleine zu essen, wächst sie einem doch recht schnell ans Herz. Ihr im Verlauf der Geschichte beim geistigen und körperlichen verfall zuzusehen, war irgendwie schmerzlich und gleichzeitig erbaulich, weil sie und Ben bei allen Hürden nie den Mut verlieren.

Es werden quasi kurze Anekdoten aus dem gemeinsamen Zusammenleben erzählt, wobei Ben und Winnie sich erstmal aufeinander und die jeweiligen Marotten eingrooven müssen. Winnie ist chronisch sparsam und Ben gerne mal ein Faulpelz. Gemeinsam ergeben sie ein witziges Team, dass sich, wenn manchmal vielleicht auch unfreiwillig, gemeinsam dem Alltag stellt. Und in einer Zeit, die von Isolation und Unwissen geprägt ist, geben sie einander Halt. 

Aus Winnies schlechtem Gehör, sowie ihrem nachlassenden Erinnerungsvermögen ergeben sich manchmal witzige Gesprächskombinationen und generell vermag sie es ganz hervorragend Ben in den Wahnsinn zu treiben- natürlich auf eine liebevolle Art.  
Für mich ist das kein Buch, das ich in einem Rutsch lese, sondern etappenweise genieße. Durch die abgeschlossenen Einzelepisoden ist das auch gut möglich, das Buch mal ein paar Tage wegzulegen und trotzdem wieder gut in die Handlung reinzukommen. Ein Buch darüber, wie Fremde zu den engsten Verbündeten werden können und darüber, wie wichtig Wärme und Nähe sind.