Rezension

Was mutet eine Gesellschaft ihren Müttern zu?

Die Wut, die bleibt -

Die Wut, die bleibt
von Mareike Fallwickl

Bewertet mit 5 Sternen

Autorin: Mareike Fallwickl, Genre: Fiktion, Verlag: Rowohlt, ISBN: 978-3-498-00296-1, 3. Auflage 2022, 378 Seiten, Preis Hardcvoer €22,00

Mareike Fallwickls neuer Roman über die Last, die auf den ­Frauen ­abgeladen wird, und das Aufbegehren: ­radikal, wachrüttelnd, empowernd.
Helene, Mutter von drei Kindern, steht beim Abendessen auf, geht zum Balkon und stürzt sich ohne ein Wort in den Tod. Die Familie ist im Schockzustand. Plötzlich fehlt ihnen alles, was sie bisher zusammengehalten hat: Liebe, Fürsorge, Sicherheit.
Helenes beste Freundin Sarah, die ­Helene ­ihrer Familie wegen zugleich beneidet und bemitleidet hat, wird in den Strudel der ­Trauer und des Chaos gezogen. Lola, die ­älteste Tochter von Helene, sucht nach einer ­Möglichkeit, mit ihren Emotionen fertigzuwerden, und konzentriert sich auf das Gefühl, das am stärksten ist: Wut.
Drei Frauen: Die eine entzieht sich dem, was das Leben einer Mutter zumutet. Die anderen beiden, die Tochter und die beste Freundin, müssen Wege finden, diese Lücke zu schließen. Ihre Schicksale verweben sich in diesem bewegenden und kämpferischen Roman darüber, was es heißt, in unserer Gesellschaft Frau zu sein. (Klappentext)

Die Geschichte beginnt mit einer schier unglaublichen Szene, einem Urknall gleich. Helene, die Mutter dreier Kinder stürzt sich so unprätentiös wie unerwartet vom Balkon, in zwölf Meter Tiefe. Aus. Das wars. Das fehlende Salz beim Abendessen hat das Fass zum Überlaufen gebracht. Helene war nie allein, immer jemand um sie, jemand der sie gebraucht hat. Johannes arbeitete und so blieb alles an ihr hängen. Sie hatte keine Kraft mehr. 

Lola, Helenes älteste, eine Teenagerin, spürt eine Wut, die neu ist und alles andere verdrängt. Sarah, Helenes beste Freundin fühlt sich genötigt Helenes Lücke zu füllen und kümmert sich um Lola und ihre zwei kleinen Brüder. Tatsächlich muss Lola sich in dieser Lücke breitmachen denn ihre Brüder kommen zu ihr. Sie wollen den katastrophalen Abend verarbeiten, ihre Schuldgefühle abladen.

Der kleine Maxi: “Dann habe ich gesagt, sie ist eine blöde Kackmama. In den Schreck seiner eigenen Worte hinein, weint er wieder los.” 

Der einzige, der von der Tragödie seltsam unberührt zu bleiben scheint, wie immer, ist Johannes. Für ihn hat sich augenscheinlich nichts geändert. Er arbeitet einfach weiter soviel, wie vor dem Nichts, entzieht sich der familiären Leere. Und Sarah bekommt langsam eine Ahnung, worum sie Helene nicht hätte beneiden brauchen. Sie zerreißt sich zwischen ihrem eigenen Leben und dem, das früher Helene gehört hatte, um allen gerecht zu werden. Das macht man so als beste Freundin, man kümmert sich. 

Fazit: Die Geschichte ist absolut nachvollziehbar geschrieben. Genau so hätte sie sich abspielen können. Alle Beteiligten sind glaubwürdig gezeichnet. Ich mag die Wortwahl Mareike Fallwickls. Das Buch ist ein Muss für jeden, der verstehen möchte, was wir von Müttern erwarten, ihnen zumuten und für selbstverständlich machbar erachten. Und es ist eine Geschichte darüber, was Gleichberechtigung verbessern könnte.

Die Autorin: Mareike Fallwickl, 1983 in Hallein bei Salzburg geboren, lebt mit ihrer Familie im Salzburger Land. 2018 erschien ihr literarisches Debüt «Dunkelgrün fast schwarz», das für den Österreichischen Buchpreis sowie für das Lieblingsbuch der Unabhängigen nominiert wurde. 2019 folgte der Roman «Das Licht ist hier viel heller». 2022 erschien ihr Bestseller «Die Wut, die bleibt», der für den BücherFrauen-Literaturpreis nominiert ist. Die Bühnenfassung von «Die Wut, die bleibt» hat im Sommer 2023 Premiere bei den Salzburger Festspielen. Mareike Fallwickl setzt sich auf diversen Bühnen sowie Social-Media-Kanälen für Literaturvermittlung ein, mit Fokus auf weiblichen Erzählstimmen.