Rezension

Die Themen sind so gut und wichtig, aber die Umsetzung hat mich nicht wirklich überzeugt

Die Wut, die bleibt -

Die Wut, die bleibt
von Mareike Fallwickl

Bewertet mit 3.5 Sternen

Meine Erwartungen an "Die Wut, die bleibt", waren sehr hoch. Zum Einen aufgrund des Themas, zum Anderen, weil mich Mareike Fallwickl bisher mit ihren Romanen noch nie enttäuscht hat und ich sie als Frau in den Social Medias für ihre feministischen Posts und Buchempfehlungen wirklich feiere.

So wirklich zufrieden lässt mich dieser Roman jetzt aber nicht zurück und es tut mir fast schon ein wenig leid, dies sagen zu müssen, denn die patriarchalischen Prägungen unserer Gesellschaft und das Ablegen ebendieser sind so ein wichtiges Thema, aber die Umsetzung hatte Schwächen.

Es geht im Roman hauptsächlich um Lola und Sarah, die Beide mit dem Suizid ihrer Mutter/besten Freundin konfrontiert werden. Helene scheint die Pandemie zunehmend zu erdrücken, die Last die die Gesellschaft ihr als Mutter auferlegt. Es folgt ein Lockdown auf den Nächsten und sie kümmert sich ausschließlich allein um ihre 3 Kinder, bringt das Essen auf dem Tisch, an dem herumgemotzt wird, kümmert sich um alle Termine, den Haushalt, eben um ALLES, da Johannes ja schließlich Geld verdienen muss. Der Roman zeigt ganz klar, dass es auch heute noch selbstverständlich ist, dass Haushalt und Kindererziehung Frauensache sind. Das wir in Strukturen gefangen sind, die uns vorgelebt wurden und aus denen mensch aber endlich ausbrechen muss, denn Care-Arbeit ist eben NICHT NUR Frauensache !

Das Thema, nur eines von Vielen in diesem Roman, die alle gleichbedeutend wichtig waren, war mehr als perfekt gewählt, doch mit der Umsetzung hatte ich echt Schwierigkeiten.

Sarah, die selbst keine Kinder, sich aber immer Familie gewünscht hat, schlüpft beinahe nahtlos in Helenes Rolle, kümmert sich um die beiden Jüngeren, erkennt wohl auch die Fehler im System, entschuldigt sich gedanklich bei ihrer toten Freundin, dass sie sie so oft belächelt hat, wenn sie über den familiären Stress, verpackt unter einer Schicht aufgesetzten Humors, geklagt hat, bleibt aber gut Dreiviertel des Buchs passiv und macht einfach so weiter.

Lola hingegen, Helenes 15jährige Tochter beginnt sich zu radikalisieren, kann ich leider nicht anders beschreiben. Nachdem einer Freundin etwas Schlimmes passiert, tun sich die Mädchen zusammen, um diese Tat zu rächen. Ihr Beweggrund ist die Tatsache, dass wir in einer Gesellschaft leben, in denen mensch Frauen und Mädchen vorwirft, die Taten durch Kleidung, Blicke und Co. provoziert zu haben. Es ist traurigerweise fast Normalität, dass in solchen Fällen eine Täter-Opfer-Umkehr stattfindet. Und das wissen die Mädchen, weshalb sie zu Gewalt und Selbstjustiz greifen. Und damit hatte ich massive Probleme, denn Beides ist einfach keine Option, um irgendeine Veränderung voranzutreiben.

Ein weiterer Punkt, der mir wirklich richtig auf die Nerven ging, war, dass die Männer in diesem Roman, also Johannes (Helenes Ehemann) und Leon (Sarahs Freund) eine sehr blasse Rolle spielen. Besonders Johannes hatte im gesamten Buch vielleicht 4 Sätze zu sagen, ist aber von Vornherein der Böse, weil er sich ausschließlich ums Finanzielle kümmert. Und ja, natürlich ist dieses Denken ein Missstand, allerdings machen es ihm die Frauen auch sehr lange, sehr leicht. Was wiederum dazuführt, dass er gar nicht die Chance auf einen Lernprozess bekommt. Kommunikation ist der Schlüssel zum Umdenken, meine Meinung. Und wenn Niemand, besonders die Frauen, ausspricht was falsch läuft, dann kann das Gegenüber auch sein Verhalten nicht ändern, weil es denkt: läuft ja alles. Oder nicht mal das Gefühl hat, es könnte etwas falsch laufen.

Vielleicht bin ich, die mit ihrem Partner schon von Beginn der Beziehung vor 20 Jahren an auf Augenhöhe steht, aber auch tatsächlich so frei von dieser altbackenen, patriarchalisch geprägten Rollenverteilung, zumindest innerhalb der Familie, dass ich es einfach nicht beurteilen kann. Hier stellte sich die Frage nie, wer wieviel von welchen Aufgaben übernimmt. Hier wurde das immer schon 50/50 geteilt, auch nachdem dann das Kind da war. Vielleicht kann ich mich in dieser Hinsicht aber auch einfach sehr glücklich schätzen, was mich dann wiederum traurig macht und ja auch wütend, für all die Frauen, an denen alles alleine hängenbleibt.

Was nicht heißt, dass ich aus dem Buch nicht Etwas mitgenommen habe. Mehr geht immer !

Gut gefallen, um auch noch positive Aspekte zu nennen, hat mir der Zusammenhalt und die gegenseitige Unterstützung der Frauen, auch wenn sie bei Sarah und Lola erst recht spät kommt. Wir sollten uns zum Beispiel unbedingt mehr gegenseitig supporten, statt uns zu bewerten.

Auch den Schreibstil fand ich klasse. Ich mag Mareike Fallwickls recht nüchterne, aber deutliche Schreibe sehr.

Alles in allem kann, will und muss ich sagen, dass die Themenvielfalt gut, wichtig und richtig war, die Umsetzung mich aber eben nur bedingt erreicht hat.

3.5 von 5 Sternen