Rezension

Unglaublich energievoll

DAFUQ -

DAFUQ
von Kira Jarmysch

Was für ein Buch. Ich habe so einiges erwartet, aber nicht diese Art.

Mich hat die Geschichte aufgrund der Thematik direkt angesprochen und interessiert, da es als hochaktuelles Buch angepriesen wurde, was das heutige Russland sehr gut widerspiegelt. Davor hatte ich mich noch nicht wirklich über die Situation informiert, weswegen dieses Buch für mich umso spannender war. Ich möchte dies in Zukunft aber auf jeden Fall ändern, gerade weil mich dieser Roman auf jeden Fall zum Nachdenken gebracht hat.

Der Schreibstil war angenehm, wenn auch auf eine Art sehr speziell, sodass er eindeutig heraussticht. Roh, teilweise mit einer derben und ungeschliffenen Ausdrucksweise. Dabei steht sehr viel zwischen den Zeilen, ohne dass poetisch erzählt wird. Auch die Geschichte an sich war anders als alles, was ich bisher gelesen habe. Dabei ist mir vor allem die extreme Energie aufgefallen, die mit jedem einzelnen Wort und Satz mitschwang. Das Buch war ein bisschen wie eine Welle, die mich mitgerissen und in eine komplett andere Welt getragen hat, als ich sie kenne. Anja, die Hauptprotagonistin, lernt man erst Stück für Stück im Laufe des Buches durch kurze, portionierte Rückblenden in Form von Erinnerungen kennen. Diese Unwissenheit, die dadurch vor allem am Anfang entstand, erhöhte die Spannung erheblich. Wer ist diese Frau? Was hat sie alles schon erlebt? Die Frage, warum sie für zehn Tage arrestiert wurde, klärt sich dagegen schon auf den ersten Seiten. Bei ihr hatte ich immer das Gefühl, dass sie sich sicher dort gefühlt hat, auf der anderen Seite, dass die gesamte Zeit eine Angst vor dem Ungewissen da war. Wem kann ich vertrauen? Kann ich das überhaupt? Sie war ein wirklich spannender Charakter. Die fünf anderen Frauen, mit denen sie sich eine Zelle teilte, nahmen dabei auch einen Teil der Handlung ein. Anfangs erfuhr man über sie auch in Form von eigenen Erzählungen die Unterschiede der Leben und es führte die Kluften vor Augen, die teilweise dazwischen lagen. Das enge Zusammensein untereinander führte dazu, dass sie sich einander öffneten, ohne innige Beziehungen zueinander aufzubauen. Bis zum Ende blieb die Distanz bestehen, schließlich waren alle unfreiwillig wegen kleinerer Ordnungswidrigkeiten im Arrest, auch wenn genau dieser Fakt sie verband. Der Alltag war gespickt mit Ungerechtigkeiten, außerdem wurden Träume, Sehnsüchte aller Frauen thematisiert und was sie antreibt in ihren verschiedenen Leben. Zudem spielte noch ein psychologischer Aspekt in der Story eine Rolle, der Verwirrung schuf. Da Anja mit einigen Halluzinationen zu kämpfen hat, fiel es mir wirklich schwer, Realität von Fiktion zu unterscheiden.

Jeder einzelne Tag wurde genaustens beschrieben und der triste Gefängnisaufenthalt so gut geschildert, ohne dass es ein einziges Mal langweilig wurde. Genau das war meine Befürchtung – dass es in der Geschichte keine Spannung geben würde. Aber ganz im Gegenteil: Faszinierend geschickt blieb der rote Faden bis zum Ende bestehen, sodass sogar ein Suchtfaktor entstand. Besonders krass war das Ende, was nochmal komplett anders war, als ich es zunächst erwartet hätte. Ich würde super gerne wissen, wie es mit Anja und ihrer Geschichte weitergeht.

 

Dieses Buch ist kein warmherziges für entspannende Stunden zum Einkuscheln vor dem Kamin. Dazu ist die mitschwingende Atmosphäre im Hintergrund einfach zu kühl und beklemmend. Trotzdem wurde gerade diese umso besser und authentischer vermittelt. Ich bin wahnsinnig froh, dieses Buch für mich gefunden zu haben, und kann es absolut weiterempfehlen.