Rezension

Turbulenzen

Kreiseziehen -

Kreiseziehen
von Maggie Shipstead

Bewertet mit 4 Sternen

Am Ende: ein Lächeln. 864 Seiten voller Turbulenzen, Himmelsstürmereien und Abstürzen. 100 Jahre voller Leben, Begegnungen und Abschiede. Aber: ein Lächeln. Wie schön.

„Kreiseziehen“ erzählt die Geschichten von Marian Graves, einer angehenden Pilotin in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, und die von Hadley Baxter, einer Schauspielerin in den 2010er-Jahren. Beide haben eine Gemeinsamkeit: Sie wurden als Waisen von ihren Onkeln großgezogen. Und Hadley, gerade durch kleinere Skandale beruflich abgestürzt, erhält die Chance, Marian in einer Verfilmung zu spielen.

Maggie Shipsteads „The Great Circle“ ist einer dieser literarischen Überraschungserfolge, wie „Der Gesang der Flusskrebse“ oder „Offene See“, mehrfach prämiert und sicher auch in nicht allzu ferner Zeit im Kino oder auf Streaming-Diensten zu sehen. Und es bringt alles mit, was ein Roman in den 2020er-Jahren so braucht: Drama und Witz, starke weibliche Hauptfiguren, lose Fäden, die immer wieder verknotet, auseinandergerissen und am Ende doch zusammengeführt werden und einen charmanten, kleinen Twist, der sich zwar früh andeutet, aber eigentlich erst im Nachhinein auffällt.

Das Buch ist aber auch ein schönes Lexikon der Zeitgeschichte, vom Börsencrash bis zum Zweiten Weltkrieg, klar, aber noch mehr eines über die Historie der weiblichen Luftfahrt, von Pionierinnen wie Elinor Smith oder – natürlich – Amelia Earhart, deren Verschwinden das Vorbild für die Figur der Marian Graves ist. Denn diese ist zum Ende ihrer Weltumrundung irgendwo zwischen Antarktis und Neuseeland verschollen.

Der Roman erzählt ihre Geschichte, vom Verlust ihrer Eltern über das Kennenlernen mit Kunstfliegern, ihren großen Wunsch Pilotin zu werden, für den sie sogar ihre Freiheit gegen eine toxische Ehe eintauscht, über ihre Zeit als Berufs- und Kriegspilotin bis eben zu jener großen Reise. Und auch die ihres Zwillingsbruders, ihrer Entfremdung und doch immer währenden Verbindung. Und natürlich die von Hadley, Star in einer Kinderserie und später einer Fantasy-Verfilmung, bis sie nach einem absichtlichen Fehltritt diese Rolle verliert und neu anfangen muss. Als Marian Graves.

„Kreiseziehen“ ist ein spannendes, mitreißendes Buch, die mehr als 800 Seiten lesen sich fast wie im Flug, es gibt nur wenige Längen, eher wohltuende Pausen in zwei Lebensgeschichten, die zu einem interessanten Ende führen – und zu einem Lächeln. Garantiert.