Rezension

Stimmungsvolle Milieustudie

Im Schatten des Krans - Jürgen Rath

Im Schatten des Krans
von Jürgen Rath

Bewertet mit 3.5 Sternen

Fazit: Kein spannender Kriminalroman, aber eine sehr stimmungsvolle Milieustudie, in deren Mittelpunkt ein überaus sympathischer junger Mann steht.

Ich muss zugeben, dass der Klappentext viel spannender klingt als es dann in der Geschichte umgesetzt wurde. Was hier nach einem fesselnden Kriminalfall aussieht, ist eher eine sehr atmosphärische Milieustudie aus Hamburg um 1845. Das Buch ist zwar nicht in der Ich-Form verfasst, aber aus der Sicht von Moritz erzählt, einem 15-jährigen Jungen aus der Arbeiterklasse, der seine Lehre auf Wunsch seines Vaters in einem Kontor absolviert. Und so erlebe ich die Ereignisse durch die Augen des jungen Mannes, genieße seinen jugendlichen Charme der damaligen Zeit. Er versucht natürlich seinem Freund Roger Stove zu helfen und drückt sich in den dunklen Ecken der Hafenstadt herum, wo ihm allerlei obskure Gestalten begegnen. Aber viel mehr beschäftigt ihn sein erster Kuss, der wirklich sehr bezaubernd dargestellt wird.

Ich bekomme sehr viel historischen Hamburger Lokalkolorit serviert und war froh über das Glossar am Ende des Buches. Denn Jürgen Rath benutzt viele Begriffe, die mir völlig unbekannt waren. Dadurch gab er seiner Erzählung, die in einer sehr angenehmen Sprache verfasst ist, noch mehr Atmosphäre. Eine sehr leichte Spannung liegt über diesem historischen Hamburg-Buch, aber in einem Kriminalroman erwarte ich einfach mehr davon. Der Kriminalfall rückt immer wieder in den Hintergrund und wird eher so nebenbei behandelt. Hauptsächlich geht es um Moritz, seine Träume, seine Ängste und die „spannende“ Frage, für welches Mädel er sich denn nun entscheiden soll. All das hat mir sehr gut gefallen. Moritz ist einfach liebenswert, über seine Gedanken musste ich sehr oft schmunzeln. Ein weiterer Liebling war der „Klabautermann“ Westphalen, ein bärbeißiger Seemann, der einen Narren an Moritz gefressen hat. Die Beschreibung des damaligen Lebens in der Hansestadt hat mir als Fan von historischen Romanen sehr viel Spaß gemacht. Ich mag es sehr, in eine andere Zeit versetzt zu werden mit allem drum und dran und das ist Jürgen Rath sehr gut gelungen.

Fazit: Kein spannender Kriminalroman, aber eine sehr stimmungsvolle Milieustudie, in deren Mittelpunkt ein überaus sympathischer junger Mann steht.