Rezension

stärkt die Sehnsucht nach Ruhe und das Bedürfnis eine Heimat zu finden

Das Glück des Wolfes -

Das Glück des Wolfes
von Paolo Cognetti

Bewertet mit 5 Sternen

„Das Glück des Wolfes“ von Paulo Cognetti beschreibt nur in wenigen Sätzen vom tierischen Wohlbefinden. Doch die reichen aus, um zu sagen, was er damit meint. In Bezug zum Roman, der still und ruhig eine Liebesgeschichte beschreibt, ist die Freiheit und Ruhe gemeint, die ein Lebewesen sich nehmen kann. Wenn er denn will. Die Freiheit, herumzustreichen, sich seinen Weg zu suchen, sich immer wieder einen neuen Platz, der einem zusagt, zu wählen. Das bedeutet auch, Entscheidungen zu treffen. Nicht nur für, sondern ebenfalls gegen eine andere Wahl; oder gar gegen mehrere? Genau darin liegt einer der Schwerpunkte dieses Romans. Die große Frage, die sich alle Protagonisten stellen: war meine Wahl richtig und kann ich mit den Konsequenzen leben?

Was bedeutet es, einen großen Roman zu verfassen, der als sogenannte Weltliteratur gilt? Dass er gewisse Kreise anspricht, Hitlisten stürmt, einen gewissen Umfang besitzt, mitunter verfilmt wird? Oder, wenn es sich herumspricht, dass hier ein kleiner Goldschatz der Literatur nur geborgen werden muss? Auch der Zeitgeist muss stimmen, Sehnsüchte bedienen, Sprache und Wortschatz ansprechend sein.

Wir leben in einer Zeit, die uns allen schier unfassbar vorkommen muss. Krisen in einem Ausmaß, die uns sprachlos zurücklassen. Normalität ist etwas, was wir zwar im Gestrigen suchen, aber in der Gegenwart neu bestimmen werden müssen. Und in der Zwischenzeit? Lesen wir zum Beispiel Bücher wie dieses.

Ein Dorf, das vermeintlich nur im Winter auflebt, vom Schneetourismus und deren Folgen. Von Fausto, der plötzlich Koch ist, und doch nur verstehen will, wie es zu seiner Scheidung gekommen ist und wie er nun weiterleben soll. Von Silvia, die so viel jünger ist, sich ausprobiert, ein Stück mit Fausto geht und die abgeschiedene Bergwelt kennenlernt. Eine alte Nachbarin, die nur noch wenig Vieh ihr eigen nennt und ihr Leben nicht aufgeben mag. Der Schock, den man erlebt, kommt man vom Berg herunter und fährt in die Stadt. So ähnlich, wie von einer Insel, die man besucht, um zur Ruhe zu kommen, um dann doch wieder in große Ortschaften gehen muss.

Und dann ist da zum Beispiel noch Silvias Mutter, die ein Restaurant führt, vor ewigen Zeiten als Sensation in Fontana Fredda aufgetaucht, um zu bleiben. Oder doch nicht? Und der Klimawandel, der auch vor diesem Ort nicht halt macht, man feststellt, dass hier die falschen Bäume stehen, sie abholzen muss und das Holz keiner kaufen mag. Der Nepalese Pasang, der Silvia ganz nebenher beibringt, was er für wichtig hält und ihr einen anderen Blick auf die Welt offenbart. Und der Wolf? Er ist da, keine Sorge.

All die kleinen und großen Geschichten rund um das Liebesleben von Fausto und Silvia, die Kraft die hinter den Worten steckt, die ruhige Ausstrahlung der kurzen Absätze, können einen innehalten lassen. Nachdenken lassen. Bilder heraufbeschwören, Grundsätzliches infrage stellen, neues ausprobieren; das geht mir durch den Kopf. Es ist nicht das erste Buch vom Autor, das ich gelesen habe, und ich genieße sie alle.