Rezension

Schonungslos ehrlich und gnadenlos gut

Julischatten - Antje Babendererde

Julischatten
von Antje Babendererde

Bewertet mit 5 Sternen

Simona, genannt Sim, hat stets das Gefühl im Schatten, ihrer Super-Schwester zu stehen. An deren gute Noten, soziales Engagement und Hobbies kann sie nicht herankommen. Auch von ihren Freunden im thüringischen Kaff wird sie mittlerweile mehr gemieden. Sie flüchtet sich in den Alkohol. Nach einer Geburtstagsfeier, die wegen Alkoholvergiftung im Krankenhaus endete, schicken ihre Eltern sie für die Sommerferien nach South Dakota ins Indianerreservat „Pine Ridge“, wo Alkohol und Drogen strikt verboten sind, zu ihrer Tante Jo. Diese hatte vor Jahren einen Lakota geheiratet und lebt im Reservat, wo die mittlerweile Geschiedene einen Laden betreibt.

Dort lernt Sim zwei Jugendliche kennen: den blinden Lukas Brave und Jimi Little Wolf. Sie leben bei einer Pflegemutter und sind „Hunka-Brüder“, also etwas wie Blutsbrüder füreinander.
In den folgenden Wochen lernt Sim nicht nur viel über das Leben im Reservat, sondern auch über sich selbst. Doch bald holt die Vergangenheit die drei Freunde ein....

Antje Babendererde hat mich mit „Julischatten“ so sehr begeistert, dass ich sie ab jetzt zu meinen Lieblingsautoren zählen werde.

Die Charaktere Sim, Lukas und Jimi sind absolut authentisch dargestellt. Auch wenn ich das Teenager-Alter hinter mir gelassen habe, kann ich Sims Gefühle bezüglich ihrer Schwester, Eltern und Freunde nachvollziehen. Das Gefühl, nicht verstanden zu werden, der schwierige Weg zur eigenen Identität, das Verliebtsein und das Rebellieren schildert die Autorin lebensnah und echt. Antje Babendererde beherrscht es meisterhaft, die Gefühls- und Erlebenswelt von Jugendlichen darzustellen. Nicht nur von Sim, sondern auch die der Lakota-Jugendlichen, deren Kultur im Hinblick auf das Miteinander der Geschlechter doch sehr unterschiedlich ist.

Aufrüttelnd und schonungslos schildert Antje Babendererde das heutige Leben der Lakota in Pine Ridge. Abgesehen von Haiti ist es die Gegend mit der geringsten Lebenserwartung der westlichen Hemisphäre. Armut, Arbeitslosigkeit, Drogen, Alkohol und Hoffnungslosigkeit prägen das Leben der Indianer, das einst stolze Volk scheint gebrochen. Doch mittendrin gibt es auch immer wieder Gelegenheiten, die Traditionen zu pflegen und die eigene Kultur zu bewahren, wie beim Powwow oder Pferderennen zu Ehren des Siegs am Little Big Horn. Und es gibt Menschen, die sich für ihre Leute einsetzen, wie Henry He Dog oder Lukas.

Dank der genauen Beschreibung der Gegend mit realen Ortsnamen fühlt man sich, als wäre man live dabei.

Ein großartiger Roman nicht nur für Jugendliche, der augenöffnend und schonungslos aber auch wunderschön und liebenswert daherkommt. Klare Leseempfehlung!