Rezension

Russlands finstere Seite

Das kalte Licht der fernen Sterne - Anna Galkina

Das kalte Licht der fernen Sterne
von Anna Galkina

Bewertet mit 3 Sternen

Dieses Buch polarisiert offensichtlich. Nach dem Lesen kann ich gut verstehen, warum. Mich hat es auch nicht vollständig überzeugt, wenngleich ich die vernichtenden Kritiken auch nicht ganz nachvollziehen kann.

Man macht hier einen Streifzug durch das Russland der 80er. Nastja wächst auf in einer Kleinstadt in der Nähe von Moskau. Ihre Familie ist arm, fließendes Wasser seltener Luxus, Nahrung knapp. In kurzen Sequenzen verfolgt man ihre Kindheit bis sie 16 Jahre alt ist und die ist nicht lustig, auch wenn der beißend ironische Erzählstil manches Mal zum Lachen einlädt. 

Hier liest man Entsetzliches, von Kindergärtnerinnen, die Missetäter öffentlich verprügeln lassen, Lehrerinnen, die Schülern die Nase brechen, ständig betrunkenen Nachbarn und Eltern, lüsternen „Onkeln“, Massenvergewaltigungen überall, jugendlichen Hobbyprostituierten, Gewalttätern jeder Art und Milizionären, die das nicht interessiert. 
Beim Lesen fühlt man sich hin und her geworfen. Manches kommt daher, wie eine heitere Anekdote und endet dann im Nebensatz schrecklich, bisweilen fast absurd. Da sind sehr atmosphärische, poetische Passagen im Wechsel mit drastischer Sprache. Spaßige, skurrile Typen erheitern und ergeben sich dann dem Alkohol. Und dann wieder das blanke Grauen, so furchtbar, dass man es kaum glauben will.  
Zwischendurch bekommt man zur Erholung eine sehr anrührende Liebesgeschichte, die dann aber auch nicht gerade ins Paradies führt.

Am Ende fragt man sich: Was ist das nur für ein Land? Kann es irgendwo auf dieser Welt so zugehen, oder hat Nastja einfach Pech gehabt? Und das ist der Punkt, der mir nicht gefallen hat. Man watet das ganze Buch über durch den allertiefsten Sumpf. Wenn das ein Querschnitt durch das russische Leben sein soll, dann muss es doch auch irgendwo ein klein wenig Licht geben, nur leider blinkt hier noch nicht einmal ein Funke auf. Es können doch nicht alle betrunkene Vergewaltiger sein.
Die Protagonisten sind sicherlich gewollt plakativ angelegt, was auch im Groben funktioniert. Nur gelegentlich hat man absolut keine Idee, warum sie handeln, wie sie handeln. Selbst Nastja versteht man nicht immer. So rätselt man öfter mal, versucht sich Motive für ihr Handeln auszudenken, braucht aber ein ziemliches Konstrukt, um der Sache einen Sinn zu geben. Es wäre so viel schöner gewesen, sie einfach besser kennenzulernen.

Dieses Buch besticht durch Originalität und ausdrucksvolle Sprache, an der Dramaturgie hätte man meiner Meinung nach noch etwas feilen können.