Rezension

Nur die zweite Hälfte des Buches konnte mich fesseln

Unser kostbares Leben -

Unser kostbares Leben
von Katharina Fuchs

Bewertet mit 3.5 Sternen

In diesem Buch geht es um Caro, Minka und Claire und ihre Kindheit und Jugend in einer hessischen Kleinstadt in den 70er und 80er Jahren. Da ich selbst in den 60er Jahren geboren bin und sich auch meine Kindheit und Jugend in dieser Zeit abgespielt hat, war ich natürlich sehr daran interessiert, dieses Buch zu lesen. Das Buch hat mehr als 600 Seiten und gliedert sich in drei Teile.

Der erste Teil spielt 1972 als die Mädchen 10 Jahre alt waren und er war mir zu lang und zu beschreibend. Es passierte nicht viel außer dem im Klappentext bereits beschriebenen Schwimmbadunfall. Dafür wurde aus allen möglichen Perspektiven (Minka, Caro, Claire, Minkas Eltern, Caros Eltern, weitere beteiligte Personen) alles mögliche beschrieben. Das ging von Einrichtungs- und Gebrauchsgegenständen, die in den 70er Jahren üblich waren, über Umweltzerstörung, gelben Regen, Krötenwanderung, Tierversuche, Medikamentenversuchen an Schutzbefohlenen, Politik, Kleinstadtklüngel usw. Das sind schon sehr viele Themen für ein einziges Buch und wenn dann noch in jedem Kapitel aus der Perspektive einer anderen Person berichtet wird, dann kann das schon ziemlich anstrengend werden. Mir zumindest fehlte im ersten Teil komplett der rote Faden. Aufgrund der wenigen Handlung und der Erzählung aus so vielen verschiedenen Perspektiven konnte ich auch keine Empathie für die beteiligten Personen entwickeln.

Im zweiten Teil sind die Mädchen 15 Jahre alt. Dieser Teil ist recht kurz und die Kapitel enden meist sehr aprubt und offen. Auflösungen der offenen Enden gibt es - wenn überhaupt - nur ganz kurz im dritten Teil. Auch dieser Teil lag mir nicht so sehr.

Im dritten Teil sind die Mädchen 19 Jahre alt und man kann endlich an ihrem Leben teilnehmen. Es passiert etwas, die Perspektiven wechseln nicht mehr ganz so oft, die Mädchen interagieren mehr miteinander und mit anderen Personen und es kommt ein Erzählfluss auf. Ab hier ist es endlich ein Roman und das Lesen hat mir Spaß gemacht. Nun konnte ich mich auch in das Leben der Mädchen hineinfühlen und Empathie entwickeln. Und natürlich wollte ich wissen, wie es weitergeht. Wenn das ganze Buch so geschrieben worden wäre, wie der dritte Teil, hätte es von mir fünf Sterne bekommen.

Gelungen fand ich außerdem die Anlehnung an reale Ereignisse wie z. B. die Existenz des Hüttendorfes und die Gründung der Grünen 1980 als folgerichtigen Schritt nach dem ganzen beschriebenen Umweltfrevel. Mir persönlich hat das Buch auch aufgezeigt, wie weit wir im Bereich Umweltschutz seit den 70er/80er Jahren schon gekommen sind. Dass es nie genug ist, ist auch klar, aber zumindest gibt es in Deutschland keine Flüsse mehr, die jeden Tag eine andere Farbe haben und in denen kein Fisch mehr lebt und die Luftqualität in der Nähe von Chemiewerken ist aufgrund der Filteranlagen auch deutlich besser geworden.

Insgesamt eine relativ gelungene Geschichtsstunde im Rahmen eines Romans, allerdings mit deutlichen Längen im ersten Teil. Da hier halbe Sterne möglich sind, bewerte ich das Buch mit 3 1/2 Sternen. Auf Plattformen, wo es nur ganze Sterne gibt, werde ich mit vier Sternen bewerten.