Rezension

Glaubwürdig erzählte Nachkriegsgeschichte

Vati
von Monika Helfer

Bewertet mit 5 Sternen

Im letzten Jahr hatte ich „Die Bagage“ von Monika Helfer gelesen. Auch wenn mich die Autorin seinerzeit nicht hundertprozentig überzeugen konnte, so wollte ich mir doch noch tiefere Einblicke in die Lebensumstände der Familie Helfer verschaffen. Mit „Vati“ wird nun die väterliche Seite stärker beleuchtet. Zudem wechselt die Autorin von der Großelterngeneration zu den eigenen Eltern, wodurch in meiner Wahrnehmung mehr Nähe und damit eine gefühlvollere Erzählung entsteht.

Der Vati ist ein Kriegsrückkehrer. Die russische Kälte hat ihm ein halbes Bein gekostet. Als Verwalter eines Kriegsopfer-Erholungsheims kann er seiner Familie dennoch ein auskömmliches Leben bieten. Erst als die Kriegsopfer in den Hintergrund rücken sollen, das Erholungsheim in ein Hotel umgewandelt werden soll, kommt sein Lebensmut ins Wanken. Dann stirbt seine Frau, Alles gerät aus den Fugen.

Ich mochte den Vati. Sein Umgang mit der Prothese hoch oben auf dem Berg, er nimmt am Leben teil und geht wandern, als gäbe es die körperliche Einschränkung nicht. Natürlich hat mich auch seine Liebe zur gehobenen Literatur überzeugt. Schundromane kamen ihm nicht ins Haus. Er hat vorgelesen, den Versehrten, den Kindern. Mich hat beeindruckt, dass er selbst nicht mehr ganz heil noch so viel geben konnte. Darüber hinaus konnte ich seine Verzweiflung in Folge der weiteren Schicksalsschläge sehr gut nachvollziehen.

Hier hatte ich auch Monika, ihre Geschwister und auch die Onkel und Tanten von der Bagage gern. Es kommt mir auch vor, als würde dieser Roman seinen Vorgänger insgesamt  und die Personen darin in einem besseren Licht erscheinen lassen. Vieles ist mir jetzt klarer geworden, so glaube ich. Bewundernswert fand ich die Unterstützung der Familie Helfer von Seiten der Bagage. Trotz Armut und Enge ist immer noch ein wenig Zuwendung möglich. Fasziniert bin ich von der Tatsache, dass jeder in der Familie seinen Unterstützungsbeitrag leistet. Teilweise erstaunt hat mich die Auswahl der Maßnahmen, die hier in Erwägung gezogen und zumeist auch umgesetzt worden sind. Ich bin mir nicht sicher, ob heutige Wohlstandsfamilien das noch so hinbekommen.

Ganz nebenbei bekommt man einen Eindruck von den Lebensumständen nach dem Krieg insgesamt. So entsteht ein übergreifend thematisch anspruchsvoller, gleichzeitig angenehm lesbarer Roman, der mir richtig gut gefallen hat. Die Sprache ist jetzt weniger schnodderig als im Vorgänger, gefühlvoll, rückt die Charaktere dichter an einen heran. Mich konnte Monika Helfer überzeugen. Gern spreche ich eine Leseempfehlung aus.