Rezension

Familiengeschichte...

Vati
von Monika Helfer

Bewertet mit 4 Sternen

Fortsetzung der Familiengeschichte der Autorin - im Mittelpunkt der Vater, der dennoch ein wenig unnahbar bleibt.

Ein Mann mit Beinprothese, ein Abwesender, ein Witwer, ein Pensionär, ein Literaturliebhaber. Monika Helfer umkreist das Leben ihres Vaters und erzählt von ihrer eigenen Kindheit und Jugend. Von dem vielen Platz und der Bibliothek im Kriegsopfer-Erholungsheim in den Bergen, von der Armut und den beengten Lebensverhältnissen. Von dem, was sie weiß über ihren Vater, was sie über ihn in Erfahrung bringen kann. Mit großer Wahrhaftigkeit entsteht ein Roman über das Aufwachsen in schwierigen Verhältnissen, eine Suche nach der eigenen Herkunft. Ein Erinnerungsbuch, das sanft von Existenziellem berichtet und schmerzhaft im Erinnern bleibt. „Ja, alles ist gut geworden. Auf eine bösartige Weise ist alles gut geworden.“

 

Erster Satz: "Wir sagten Vati - er wollte es so."

 

Erneut widmet sich Monika Helfer mit diesem Roman ihrer eigenen Familiengeschichte. Während "Die Bagage" sich mit den Großeltern mütterlicherseits beschäftigte, wendet sie sich hier ihren Eltern zu und dabei, wie schon der Titel verrät, v.a. ihrem Vater. 

Diesmal kann die Autorin auch auf eigene Erinnerungen zurückgreifen, ergänzt diese aber durch Anmerkungen ihrer Schwestern sowie der zahlreichen Geschwister ihrer Mutter und deren Kinder. Ein Puzzle breitet Monika Helfer hier aus, wobei nach und nach ein Bild entsteht, bei dem die verschiedenen Versionen abgeglichen und eingefügt werden. Und man erhält hier ein sprödes, unprätentiöses Bild von einem Leben in Armut, von einer Wortkargheit, aber auch von einer großen Liebe zwischen dem Vater und der Mutter - bis diese stirbt.

Dieser Roman stellt einen Versuch dar, sich einer Person zu nähern, die zeitlebens unnahbar blieb - trotz kleiner Gesten der Zuneigung und des Wohlwollens. Wohlwollend ist auch die Annäherung der Autorin, die Betrachtung der Eltern, der Versuch des Verstehens - auch wenn eigene Verletzungen dabei offenkundig werden.

Der Ton der Erzählung gerät oft leicht melancholisch - weniger aufgrund der nicht immer einfachen Lebensumstände, sondern eher deshalb, weil deutlich wird, dass auch innerhalb einer Familie jeder Einzelne in einer Einsamkeit gefangen ist. Wie gut kennt man einen anderen wirklich? Bleibt das Gegenüber nicht immer ein pixeliges Bild aus einzelnen Mosaiksteinen?

Für Monika Helfer ist das Bild ihres Vaters sicher deutlicher als es das für den Leser / die Leserin sein kann. Bei mir hat sich der Eindruck eines kleine, zarten, dunkelhaarigen, fast asiatisch anmutenden Mannes festgesetzt, der wenig Worte verloren hat, seine eigenen Wurzeln verleugnete, kriegsversehrt durch die Liebe zur Mutter der Autorin neuen Lebensmut gewann und diesen erneut verlor, als die Mutter starb. Eine große Liebe zu den Büchern kennzeichnete ihn, ebenso wie der ungelebte Traum vom Beruf eines Chemikers. 

Ich mag die langsame Erzählweise der Autorin, den eingängigen und einfachen Schreibstil, der vieles zwischen den Zeilen mitschwingen lässt. Der große Wunsch Monika Helfers, eines Tages ihren eigenen Namen auf einem Buchdeckel zu lesen, ist jedenfalls ein weiteres Mal in Erfüllung gegangen. Und berührend der Stolz, den der Vater empfunden hat, als sie ihm ihr erstes eigenes Buch mitbrachte, das sogleich in die Regalreihe bedeutender Autoren einsortiert wurde. 

Eine Annäherung an die eigene Familiengeschichte, die ich erneut gern gelesen habe...

 

© Parden