Rezension

Fesselnder und realistischer Jugendroman

Herz Slam - Jaromir Konecny

Herz Slam
von Jaromir Konecny

Bewertet mit 5 Sternen

„...Es reicht nicht, gute Gedanken zu haben, du musst auch gute Worte für sie finden...“

Lea und Sofie sind 16 Jahre alt und besuchen ein Gymnasium in München. Beide sind zu einer Poetry-Slam-Woche in ein Schloss eingeladen. Schon im Bus müssen sie feststellen, dass sie dabei vorwiegend auf Haupt- und Mittelschülern treffen. Lea ist überrascht, dass auch Julia am Seminar teilnimmt. Julia war während der Grundschulzeit ihre beste Freundin. Der Schulwechsel hat sie getrennt.

Der Autor hat einen abwechslungsreichen und sehr realistischen Jugendroman geschrieben. Die Geschichte wird von Lea erzählt.

Positiv fällt sofort die genaue Charakterisierung der Personen auf. Es sind Jugendliche mit Stärken und Schwächen, die im Laufe der Handlung all ihre Facetten zeigen dürfen. Natürlich bedienen die Hauptschüler am Anfang so manches Klischee. Es wurde ihnen ja von der Erwachsenenwelt suggeriert, dass sie nicht zur Spitze gehören. Gleiches gilt für die Vorurteile der Gymnasiasten. Nach und nach aber zeigt sich, dass hinter den Protagonisten ein großes Potential steckt.

Und dann gibt es noch die erste zarte Liebe. Sie fragt nicht nach dem Bildungsweg, sondern sieht den Gegenüber mit besonderen Augen. Geschickt integriert der Autor Ausschnitte aus der Vergangenheit der Jugendlichen in die Handlung. So wird deutlich, wodurch mancher Lebensweg geprägt wurde.

Im Mittelpunkt der Handlung steht das Zusammenleben im Schloss und die Vorbereitung auf einen öffentlichen Auftritt in Würzburg. Lea, die mit Sofie und Julia gleichermaßen gut auskommen möchte, hat einen schwierigen Part, denn die beiden beäugen sich kritisch. Julia, die durchaus die Begabungen für den Besuch des Gymnasiums hatte, fehlte der Ehrgeiz. Für sie zählen andere Werte. Und dann mag Lea Linus, der sich intensiv um den kleinwüchsigen Autisten Ertan kümmert.

Der Schriftstil des Buches ist der jugendlichen Zielgruppe angepasst. Das bedeutet auch, dass stellenweise entsprechender Slang verwendet wird.

Viel Wert legt der Autor auf die Gestaltung der Gespräche. Hier prallen Meinungen aufeinander, wird gestritten und sich versöhnt. Gerade dabei aber zeigt sich, wie sich Einstellungen ändern und Vorurteile sachte verschwinden. Natürlich wird nebenbei noch ein weites Feld jugendlicher Lebensinhalte berührt. Kleine Eifersüchteleien, die ausarten, der Genuss von Alkohol, der zu Peinlichkeiten führt, spitze und provozierende Bemerkungen sind nur einige der Themen. Erstaunlich gut können Ivo und Lana, die tschechischen Leiter des Seminars, mit der heterogen zusammengesetzten Gruppe umgehen. Auch Emotionen, die gern einmal überschäumen dürfen, finden reichlich Platz in der Handlung. An anderer Stelle finden sich leise Töne, um einen Einblick in die Psyche der Protagonisten zu erhalten. Ich denke dabei insbesondere an Leas innere Zerrissenheit. Sie kann schreiben, scheitert aber an ihrer Angst vor einem öffentlichen Auftritt. Dieser Zwiespalt wird sehr gut herausgearbeitet. Für einen Poetry-Slam-Wettbewerb aber braucht es beides: aussagekräftige Texte und ein gewisses schauspielerisches Talent.

Damit wäre ich beim zweiten Schwerpunktthema des Buches. Die abgedruckten Texte harmonieren nicht nur punktgenau mit der Romanhandlung, sie charakterisieren gleichzeitig die vortragenden Protagonisten. Der Rahmen spannt sich von provozierend bis berührend, lebensnah und nachdenklich machend. In der fesselnden und abwechslungsreichen Handlung verstecken sich eine Unmenge an Informationen darüber, wie man gute Texte schreibt, was beim Vortrag zu beachten ist und wie täuschend Körpersprache sein kann. Obiges Zitat ist ein Beispiel dafür.

Die Texte der Poetry-Slam-Autoren finden sich nochmals im Anhang.

Das Cover mit dem Titel in Herzform wirkt auffallend und weckt Interesse.

Das Buch hat mir sehr gut gefallen. Es zeigt, zu welchen Leistungen Jugendliche fähig sind, wenn man sie lässt, dass Vorurteile bei guten Willen abbaubar sind und dass der Wert eines Menschen nicht von seinem Bildungsgang abhängig ist.