Rezension

Fesselnd bis zur letzten Seite

Totenvogel - Hans-Peter Vertacnik

Totenvogel
von Hans-Peter Vertacnik

Bewertet mit 5 Sternen

„...Der Wiener grantelt, der Wiener raunzt, aber dass er endlich einmal den Arsch hebt, auf den Tisch haut und etwas ändert, kommt ihm gar nicht in den Sinn...“

 

In einer tropischen Nacht in Wien findet ein hoher Beamter aus dem Wirtschaftsministerium einen Toten.

Sechs Monate zuvor fährt ein Kurier mit einem Koffer voll Geld nach Liechtenstein. Nach Einzahlung erfolgt eine Information an den österreichischen Innenminister Liebermann.

Die Firma Vienna Intersoft hat den Innenminister geschmiert, um an einen Großauftrag zu kommen. Doch eine zweite Firma hat mehr gezahlt. Der verantwortliche Abteilungsleiter erschießt sich.

Hofrat Werner Witoldski, Geheimdienstchef der Republik Österreich, trifft sich mit der Abgeordneten Frederike Jung. Sie will ihre Kontakte spielen lassen, damit er seinen Job behält, denn Liebermann hätte den gern einer jungen Juristin gegeben.

Nachdem Major Kubica bei seinem letzten Fall schwer verletzt wurde, möchte ihn der Amtsarzt gern in den Ruhestand schicken. Doch es kommt anders. Er wird Leiter der Mordkommission Wien und erhält den Rang eines Oberst. Allerdings lässt sein Vorgesetzter ihn unauffällig überwachen.

Das sind nur einige Fakten, mit denen der fesselnde Krimi beginnt. Das Buch lässt sich zügig lesen und hat mich schnell in seinen Bann gezogen. Es ist der zweite Teil mit dem Ermittler Kubica.

Die Geschichte hat viele Facetten. Es geht um Korruption und Erpressung, um Macht und Geldgier, verratene Freundschaft und heimliche Liebschaften. Jeder belauert jeden. Das gilt nicht nur in der Politik, sondern auch im Polizeiapparat. Die komplexen und nur langsam durchschaubaren Beziehungen zwischen den Protagonisten sorgen für einen extrem hohen Spannungsbogen. Als Liebermanns Geldgeschäfte aufzufliegen drohen und er Erpresserbriefe mit den Worten „...Nichts ist verhüllt, was nicht enthüllt wird, und nichts ist verborgen, was nicht bekannt wird...“

erhält, werden selbst die Medien und Druck gesetzt und Dokumente gefälscht, weil nicht sind kann, was nicht sein darf. Den Erpresserbriefe sind Einzahlungsscheine beigelegt, ausgestellt auf humane und kirchliche Organisationen.

Kubica allerdings lässt sich nicht beeinflussen. Der Oberst zieht im dienstlichen Bereich stur seine Linie durch. Ein Fall ist erst abgeschlossen, wenn alle Fakten glasklar auf den Tisch liegen, nicht wenn die neue Innenministerin ein Erfolgsmeldung braucht.

Dabei hat Kubica auch noch Probleme in seinem Privatleben. Seine Dienstauffassung, die weder Freizeit noch Wochenende kennt, hat ihm schon die Ehe mit Anna gekostet. Wirklich abgeschlossen aber hat er mit ihr noch nicht. Hinzu kommt, dass Oscar, der gemeinsame Sohn, in England alles andere als glücklich ist. Margot, Kubicas jetzige Freundin, fühlt sich auch zu oft allein gelassen. Natürlich darf der polnische Pfarrer Wozzek nicht fehlen. Er bringt eine besondere Farbe ins Geschehen.

Der Schriftstil ist dem Genre angemessen. Schnell wechselnde Orte und Personen beleben die Handlung. Die Örtlichkeiten in Wien werden ausführlich beschrieben. Ab und an gibt es fein dosierte sarkastische Bemerkungen zur österreichischen Mentalität, wie obiges Zitat zeigt. Die kriminologische Arbeit kann ich als Leser genau verfolgen, weil sie nicht nur detailliert beschreiben wird, sondern weil mich Kubica ebenfalls an seinen Gedanken teilhaben lässt.

Das eher schlichte Cover passt zur Handlung.

Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Das komplexe Geschehen wurde logisch gekonnt aufgebaut und konsequent zu Ende geführt. Das Buch gab im Rahmen einer fesselnden Handlung einen interessanten Einblick in gut funktionierende Netzwerke von Politik und Wirtschaft.